Dämmerung über Athen: Schuldenfalle schnappt zu

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Griechenlands Sparanstrengungen und Reformen bleiben bislang auf der Strecke. Dreimal muss das mit insgesamt 330 Milliarden Euro verschuldete Land bis zum Sommer dieses Jahres einer Pleite ausweichen.

Des einen Freud ist des anderen Leid. Die erfolgreiche Anleihenauktion von Italien und Spanien in der abgelaufenen Woche ist für Griechenland keine gute Nachricht. Denn damit droht der mit insgesamt 330 Milliarden Euro verschuldete Staat von den restlichen Problemländern der Eurozone abgekoppelt zu werden. Zudem zerschlagen sich Hoffnungen auf eine baldige Sanierung des Landes. Bis zum Sommer warten drei schicksalhafte Hürden.

1 Kommende Woche entscheiden sich die nächste Hilfstranche und der Schuldenschnitt der Banken.

Wenn am kommenden Montag die Vertreter der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) nach Athen reisen, um die Spar- und Reformanstrengungen für die Freigabe der nächsten Hilfstranche von acht Milliarden Euro zu kontrollieren, dürfte wenig Positives zutage kommen. Die Steuerreform greift ebenso wenig wie die Verwaltungsreform. Die Privatisierung stockt. Auch der neuen Regierung ist es bisher nicht gelungen, glaubhafte Sanierungsansätze zu finden. Die Wirtschaft ist am Boden. Griechenland befindet sich im fünften Rezessionsjahr.

Gleichzeitig stocken die Verhandlungen über eine private Beteiligung von Banken und Versicherungen. Bis nächste Woche soll das Paket stehen. Zuletzt zeichnete sich aber ab, dass nicht alle Institute zu einem Forderungsverzicht von 50 Prozent bereit sind. Dieser soll den Schuldenberg des Landes um rund 100 Milliarden Euro reduzieren. Der Schuldenschnitt ist eine Voraussetzung für das zweite Hilfspaket von EU und IWF in der Höhe von 130 Milliarden Euro. Schafft Griechenland also diese Hürde der nächsten Kredittranche und des Forderungsverzichts der Banken nicht, ist ein Zahlungsausfall kaum noch abzuwenden.

2 Im März wird die nächste große Rückzahlung fällig. Dem Staat geht schon jetzt das Geld aus.

Selbst wenn kurzfristig noch einmal Geld nach Athen fließt, sind schon die nächsten drohenden Wolken am Horizont zu sehen. Denn im März muss Griechenland die nächsten Staatsanleihen zurückzahlen. Es geht um 14 Milliarden Euro. Schon jetzt hat der Staat Probleme, seine täglichen Ausgaben zu bedienen. So bleibt beispielsweise die staatliche Krankenkasse den Apotheken bereits die Erstattung der Medikamente schuldig. Mit einem neuen Engpass ist zu rechnen. Analysten der französischen Großbank Exane BNP Paribas gehen davon aus, dass Athen versuchen wird, die Forderungen von 14 Milliarden Euro in dreijährige Titel umzuwandeln. Schon jetzt steigen die Werte der Kreditausfallversicherungen (CDS) für griechische Anleihen. Viele Investoren rechnen demnach mit einer nahen Pleite.

3 Bis August muss Athen nochmals 16 Milliarden auftreiben. Die bisherige Hilfe wird nicht reichen.

Gelingt es Athen, sich über den März zu retten, wird sich die Lage bis zum Sommer erneut zuspitzen. Laut IWF-Experten kann Griechenland nur über einen höheren eigenen Konsolidierungsbeitrag oder über noch mehr internationale Hilfe liquid gehalten werden. Zwischen Mai und August muss das Land weitere 16 Milliarden Euro lockermachen, um seine auslaufenden Staatsanleihen zu bedienen. Nur wenn bis dahin alles gut läuft, die privaten Gläubiger, der IWF und die Euroländer mitspielen, außerdem Athen selbst alle angepeilten Sparanstrengungen umsetzt, kann der Zahlungsausfall verhindert werden. Eng wird es in jedem Fall. „Griechenland ist im freien Fall“, prognostiziert der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger in einem aktuellen Interview mit der „Passauer Neuen Presse“.

Zeichnet sich bis zum Sommer ab, dass Spanien und Italien sich durch glaubwürdige Sanierungsprogramme über Wasser gehalten haben, werden die Euro-Partner die Lust verlieren, Athen weiteres Geld zuzuschieben. Finanzexperten wie jene von Exane BNP Paribas weisen darauf hin, dass Griechenland langfristig auf internationale Hilfe angewiesen bleibt.

Lassen die Euro-Partner das Land pleitegehen, müssten freilich nicht nur Banken, sondern auch staatliche Kreditgeber den Großteil ihrer Forderungen abschreiben. Obwohl dies rechtliche Probleme aufwerfen würde, wäre ein Austritt Griechenlands aus dem Euro wahrscheinlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2012)

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