Schuldenkrise: EZB warnt vor weichem Fiskalpakt

(c) Dapd (Martin Oeser)
  • Drucken

Die Verhandlungen über das neue Abkommen zur Stärkung der Budgetdisziplin stehen vor dem Abschluss. Und es wird klar, das ein großer Wurf nicht zu erwarten ist.

Brüssel. In elf Tagen wollen die Spitzen der EU-Staaten – mit Ausnahme des britischen Premierministers – in Brüssel einen Pakt über die Stärkung der Budgetdisziplin schließen. Doch noch bevor der Letztentwurf dieses zwischenstaatlichen Abkommens in den späten Stunden des Donnerstags festgezurrt wurde, warnten die beiden deutschen Mitglieder im Direktorium der Europäischen Zentralbank davor, den Zweck des Textes durch zu viele Kompromisse zu verunmöglichen.

Den Anfang machte Jens Weidmann, der zugleich Präsident der Bundesbank ist. „Allerdings gab es ja bereits in der Vergangenheit Haushaltsregeln, die nicht eingehalten wurden. Warum sollte es also jetzt funktionieren? Es wird auf jeden Fall eine Weile dauern, bis Vertrauen wieder entsteht“, warnte Weidmann bei einem Neujahrsempfang in Ludwigsburg. „Jetzt kommt es zunächst auf die Ausformung im Detail und die Umsetzung in der Praxis an und darauf, dass Verstöße gegen nationale Schuldenregeln nicht möglich sind.“ Der Pakt müsse sich auch daran messen lassen, ob er wirklich einen „Mehrwert“ gegenüber dem geänderten Stabilitäts- und Wachstumspakt bringt.

Was der Pakt alles nicht kann

Doch genau das ist zweifelhaft. Die Schuldenbremsen müssen nicht mehr zwingend als nationale Verfassungsgesetze eingeführt werden. Das würde nämlich praktisch dazu führen, dass der Pakt nicht wie geplant schon per Anfang 2013, sondern erst in unbestimmter Zukunft in Kraft tritt. Denn die Verfassungen der Niederlande und Dänemarks können nur sehr schwer geändert werden.

Fast alles, was der neue Pakt bringen soll, lässt sich schon im Rahmen des Unionsrechts als Richtlinie oder Verordnung umsetzen. Und was sich nur mit einer Änderung der EU-Verträge machen lässt – zum Beispiel die sofortigen, nur mit umgekehrter verstärkter Mehrheit abwehrbaren Sanktionen gegen „Defizitsünder“ –, das kann der Pakt nicht erbringen. Denn es würde dem Unionsrecht widersprechen. Und das würde die Briten zu einer Vertragsverletzungsklage aufbringen.

In der politischen Praxis kann der Pakt allerdings zumindest disziplinierende Wirkung zeitigen. Und zwar dann, wenn es allen voran Deutschland gelingt, die Gewährung von Hilfe aus dem künftigen dauerhaften EU-Währungsfonds ESM daran zu knüpfen, dass sich das Hilfe suchende Land dem Fiskalpakt und seinen Vorgaben hinsichtlich der Schuldenbremse unterwirft. Darauf spielte Bundesbankchef Weidmann in seiner Rede an, als er darauf hinwies, dass „europäische Hilfszahlungen an die Regeleinhaltung geknüpft werden“ sollen. Doch auch an dieser Stelle warnte er vor „Aufweichungstendenzen“ und sagte, „Zwischenstände, die an die Öffentlichkeit dringen“, stimmten „nicht besonders hoffnungsfroh“.

Auch Weidmanns Landsmann und Kollege im EZB-Direktorium, Jörg Asmussen, warnte am Donnerstag vor „Verwässerung“, wie er im Deutschlandfunk sagte. Blickt man in das Protokoll der Sitzung der Pakt-Arbeitsgruppe vom 12. Jänner, das der „Presse“ vorliegt, wird die Sorge der Notenbanker verständlich. Einzig Deutschland drang auf konsequente Regeln. Österreich dagegen bemühte sich um die Einfügung des Wortes „Sozialpartner“ und verbat sich einen Bezug auf die Stärkung des Binnenmarktes bei der Auflistung der Ziele des Paktes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Bundeskanzlerin Merkel trifft Bundeskanzler von Oesterreich
Außenpolitik

Fiskalpakt: Merkel trifft Faymann in Berlin

Vor dem EU-Sondergipfel will sich die deutsche Kanzlerin über das Vorgehen in der Schuldenkrise abstimmen. Auch die Lage in Griechenland könnte besprochen werden.
Europa

Tschechen sollen über Teilnahme an EU-Sparpakt abstimmen

Außenminister Schwarzenberg ist gegen eine Volksabstimmung. Um das Volk befragen zu können, braucht es außerdem eine Verfassungsänderung.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.