Tschechen sollen über Teilnahme an EU-Sparpakt abstimmen

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Außenminister Schwarzenberg ist gegen eine Volksabstimmung. Um das Volk befragen zu können, braucht es außerdem eine Verfassungsänderung.

Prag. Das nennt man wohl schlechte Zeitplanung: Ausgerechnet an dem Tag, an dem die tschechische Regierung über den Beitritt zum Euro-Fiskalpakt entschieden hat, befand sich Außenminister Karel Schwarzenberg auf Dienstreise. Doch selbst seine Anwesenheit in der Kabinettssitzung hätte an den Mehrheitsverhältnissen nichts geändert. Schwarzenbergs konservative TOP 09 musste sich der Demokratischen Bürgerpartei ODS von Premier Petr Nečas und der populistischen Partei Öffentliche Angelegenheiten VV geschlagen geben. Die beiden Partner setzten durch, dass über die Mitgliedschaft Tschechiens in der Fiskalunion in einem Referendum entschieden werden soll. Ein herber Rückschlag für die europafreundliche TOP 09 und Schwarzenberg selbst, der davor gewarnt hatte, dass sich Tschechien ohne ein klares Ja zum Europakt in Richtung Isolation verabschiede.

Mit ihm sei das nicht zu machen, lieber verlasse seine Partei die Regierung, hatte Schwarzenberg noch vergangene Woche gedroht. Was ihm heftige Schelte von Präsident Vclav Klaus eintrug, der seinerseits postulierte, dass er einen Beitritt Tschechiens zur „Merkozy-EU“ unter keinen Umständen unterschreiben werde.

Nach der Kabinettssitzung diese Woche mäßigte sich die TOP 09. Finanzminister Miroslav Kalousek kündigte aber an, dass die Partei die Ausschreibung eines Referendums weder im Abgeordnetenhaus noch im Senat unterstützen werde. Von einem Ende der Regierung aber sprach er nicht mehr.

Abstimmung erst später

Premier Nečas argumentierte, dass ein Referendum unumgänglich sei, müsste Prag doch in einer Fiskalunion erhebliche Befugnisse in Haushaltsfragen an Brüssel abtreten. Außerdem könne man sich ohnehin Zeit lassen, werde das alles doch erst dann akut, wenn Tschechien tatsächlich der Eurozone beitreten wolle.

Um das Volk befragen zu können, braucht es außerdem eine Verfassungsänderung. Referenden sind im tschechischen Grundgesetz nicht vorgesehen. Die oppositionellen Sozialdemokraten und die alten Kommunisten sind für Referenden generell, die ODS möchte nur eines über die Fiskalunion abhalten. Hier liegt Sprengstoff.

Andererseits hätte ein Referendum irgendwann auch einen gewichtigen Vorteil: Sollten die Tschechen mit Ja stimmen, könnte Klaus das nicht mit seinem Veto aufhalten. Seine Amtszeit endet im April 2013. Derzeit lehnt Umfragen zufolge die Mehrheit der Tschechen nicht nur die Fiskalunion, sondern auch den Beitritt zur Eurozone ab. Insofern muss man der konservativen „Lidove noviny“ zustimmen, die die Entscheidung der Regierung in einem Kommentar als einen „Punktesieg für die Anhänger der tschechischen Krone“ feierte. Andere Kommentatoren warfen am Donnerstag Premier Nečas Feigheit vor. Er drücke sich vor einer Entscheidung und überweise sie an das Volk. Dabei sei es immer Politik der ODS (und auch von Klaus) gewesen, so wenig wie möglich Schulden zu machen und Haushaltsdisziplin zu bewahren. Das Lavieren von Nečas sei deshalb „irrational“, wie die „Hospodarske noviny“ kritisierte.

Dass Präsident Klaus zwar Schulden bremsen wolle, aber dagegen sei, wenn die EU das fordere, ist für den Vizepräsidenten des Senats, Petr Pithart, ein besonderes Phänomen. Klaus und „der erstarkenden nationalistischen Rechten“ gehe es in Wahrheit nicht um Schulden oder Nichtschulden, sondern um die grundsätzliche Ablehnung eines Europa der sozialen Marktwirtschaft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2012)

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