EU-Datenschutzrecht könnte "globaler Standard werden"

(c) AP (Yves Logghe)
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Konzernen sollen Strafen von bis zu zwei Prozent ihres Umsatzes drohen. Jedes europäische Unternehmen mit mindestens 250 Arbeitnehmern braucht einen Datenschutzbeauftragten.

Brüssel. Die Europäische Kommission legt am Mittwoch die größte Reform des europäischen Datenschutzrechts seit fast zwanzig Jahren vor. Unternehmen sollen künftig binnen 24 Stunden ihre Kunden über den Verlust oder Diebstahl persönlicher Daten informieren müssen. Jedes europäische Unternehmen mit mindestens 250 Arbeitnehmern braucht einen Datenschutzbeauftragten. Konzernen, die auf den Datenschutz pfeifen, drohen drakonische Strafen von bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes. Und wer seine Daten einer Firma anvertraut hat, der soll nun erstmals den Rechtsanspruch darauf bekommen, dass diese Daten restlos gelöscht werden.

„Goldgrube für Unternehmer“

„Es geht nicht primär um Sanktionen, sondern um die völlige Öffnung des Binnenmarktes. Der ist eine Goldgrube für Unternehmen, aber administrativer Ballast und Rechtsunsicherheit machen es derzeit oft unmöglich, ihn voll zu nutzen“, erklärt Viviane Reding, Vizepräsidentin der Kommission und dort für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft zuständig, im Gespräch mit der „Presse“. 2,3Milliarden Euro könnten Europas Unternehmen jährlich sparen, wenn sie sich nur an einen EU-weiten Datenschutzrahmen statt an unzählige nationale Vorschriften halten müssten, haben Redings Experten berechnet. Das passt in die neue Kommunikationslinie der Kommission, wonach jedes Gesetzesvorhaben als Maßnahme zur Ankurbelung der Wirtschaft zu präsentieren ist.

Doch Reding geht es bei ihrem Vorschlag für eine Verordnung, welche die EU-Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 1995 ersetzen wird, um mehr als das bloße Geschäft. Die Datendiebstähle bei Weltkonzernen wie Sony, Visa und Mastercard seien „Beispiele dafür, warum es so wie bisher nicht weitergehen kann. Wenn ein Bürger einem Unternehmen seine Daten anvertraut, muss er darauf vertrauen können, dass mit ihnen sorgfältig umgegangen wird. Dass wir das überhaupt in einen Gesetzestext schreiben müssen, finde ich erstaunlich. Eigentlich sollte das zur Grundausstattung jedes ordentlichen und verantwortungsvollen Unternehmens gehören.“

„Andere Länder, andere Sitten“

So erklärt sich die harte Strafandrohung von bis zu einer Million Euro für Einzelpersonen beziehungsweise bis zu zwei Prozent des Weltumsatzes. Ähnlich harte Strafen haben dem EU-Wettbewerbsrecht zu weltweiter Beachtung verholfen. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass diese sehr umfassende Gesetzgebung, die gleichzeitig Unternehmen Freiheit und Bürgern Schutz gibt, zu einem globalen Standard wird“, hofft Viviane Reding. Das lässt einen Konflikt mit den USA befürchten, wo Daten nicht als Eigentum dessen angesehen werden, von dem sie stammen. „Andere Länder, andere Sitten“, meint die Kommissarin gelassen.

Reding: „Alle, die die Goldgrube des europäischen Binnenmarktes nutzen wollen, müssen sich an unsere Regeln halten.“

Auf einen Blick

Viviane Reding (*1951) ist Vizepräsidentin der EU-Kommission und dort für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft zuständig. Sie ist seit 1999 Kommissarin, ihr größter Erfolg war 2007 die Senkung der Handy-Roaminggebühren. [Mirjam Reither]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2012)

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