Schlecker? „Das sind die Bösen“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der von der neuen Geschäftsführung eingeläutete Wandel bei Schlecker greift nicht: Am insolventen Drogeriemarkt klebt das Schmuddel-Image. In den Köpfen der Konsumenten hat sich nicht viel verändert.

Wien. Viel ist nicht los an diesem Dienstagvormittag in der Schleckerfiliale in der Stumpergasse im 6. Bezirk. Auch die Regale sind zum Teil eher kärglich bestückt. Etwas willkürlich finden sich gleich beim Eingang Dosensuppen neben Büchern über Bauch-Bein-Po-Gymnastik. „Am Donnerstag kommt eine neue Lieferung, dann wird die Ware aufgestockt“, verrät die Verkäuferin. Alles in Ordnung also? Sorgen mache sie sich schon. Informationen von der Geschäftsleitung habe sie noch keine bekommen: „Was ich weiß, habe ich aus der Zeitung.“

Seit fünf Jahren arbeitet die Verkäuferin bei Schlecker. Eingestiegen ist sie, wie alle Neulinge im Verkauf, als geringfügig Angestellte. Jetzt arbeite sie aber 30 Stunden. Etwa 900 Euro bringt das ein, netto. Eine ältere Dame betritt das Geschäft und wendet sich gleich an die Verkäuferin: „Sperrts ihr zu?“ Beschwichtigendes Kopfschütteln. Was die Dame an Schlecker mag? „Die netten Angestellten, und ich wohn' gleich ums Eck. Immer, wenn ich zur Konditorei gegenüber geh', schau' ich vorbei.“

Keine klare Positionierung

Etwa vor einem Jahr traten die Kinder des Firmengründers Anton Schlecker an, um die Kette von ihrem Schmuddel-Image zu befreien. In den Köpfen der Konsumenten hat sich seither nicht viel verändert, wie ein Lokalaugenschein in Wien zeigt. Die Berichte über niedrige Löhne, nicht ausbezahlte Zuschläge für Mehrarbeit und Betriebsvereinbarungen, nach denen das Unternehmen Tasche und Spind der Mitarbeiter untersuchen dürfe, sind in vielen Köpfen noch präsent: „Das sind die Bösen“, denke sie immer, wenn sie an der Schleckerfiliale in ihrem Bezirk vorbeigehe, erzählt eine junge Frau bei Bipa. „Ich gehe nicht zu Schlecker“, sagt eine Kundin bei dm. „Wegen der Art, wie die Konzernleitung mit den Angestellten umgeht und wegen der schlechten Warenpräsentation.“

Die einhellige Meinung: Schlecker sei einfach „unsympathisch“, „unattraktiv“. „Ich wohne seit 15 Jahren hier und es hat mich nie gereizt, hineinzugehen“, sagt eine Bipa-Kundin im neunten Bezirk.

Neben den Riesen im Drogerie-Handel, Bipa und dm, hat Schlecker vor allem ein Problem: Er hat kein klar umrissenes Profil. Über Billigpreise kann sich der Laden nicht mehr positionieren, denn Mitbewerber sind längst auf den Aktions-Zug aufgesprungen. Bipa, dm und Müller sind dagegen eindeutig am Markt positioniert: Bipa richtet sich als Marktführer an junge, urbane Frauen – mit einem frechen Image und preisgünstigen Eigenmarken, etwa bei Kosmetik-Produkten. dm – der Branchenzweite – hingegen hat sich seit jeher Nachhaltigkeit auf die Fahnen geheftet – engagiert sich für Umweltschutz und seine Mitarbeiter und führt starke Bio-Eigenmarken wie Alnatura oder alverde. Müller schließlich punktet mit dem größten Angebot.

Unter der neuen Geschäftsführung hat Schlecker mit dem Slogan „For you – vor Ort“ versucht, sich stärker als Nahversorger zu positionieren. Tatsächlich hat Schlecker deutlich mehr Filialen als die Konkurrenten. Zuletzt waren es laut Marktforscher Nielsen in Österreich 974 – Marktführer Bipa hatte 2010 dagegen nur 572, dm 364. Ursprünglich hatte Schlecker sogar 1200 Filialen, hat aber seit 2005 mehr als 200 geschlossen. Denn Schlecker erwirtschaftet mit einem Umsatz von österreichweit 432 Mio. Euro pro Quadratmeter etwa ein Viertel der Erlöse der Konkurrenz.

Waren werden nicht geliefert

Der Konsumgüterkonzern Unilever hat Lieferungen an die insolvente deutsche Schlecker-Mutter bereits eingestellt. „Solange die Situation so unklar ist, müssen wir uns zurückhalten“, sagte Unilever-Sprecher Konstantin Bark.

Erste Anzeichen für Lieferschwierigkeiten gab es in Österreich bereits vor Weihnachten. „Da sind Lieferungen einfach ausgeblieben“, sagt die Verkäuferin in der Schönbrunnerstraße. Trotzdem ist sie überzeugt, dass, selbst wenn es in Österreich zu Schließungen kommen sollte, ihre Filiale nicht betroffen sein wird. „Das hier ist eine starke Filiale, die Nähe zur U4 ist günstig, der Umsatz stimmt. Ich kenne andere Schleckers, die nicht so gut gehen.“

Wie es für die Angestellten in Österreich weitergeht, wagt die Gewerkschaft der Privatangestellten nicht zu beurteilen. „Wir sind zuversichtlich, dass das Gehalt der Angestellten am 31. Jänner verlässlich überwiesen wird“, sagt Karl Proyer, Vizechef der GPA djp. Mehr werde er nach einem Treffen der Gewerkschaften mit Schlecker Ende Jänner wissen.

Auf einen Blick

Die Drogeriemarkt-Kette Schlecker, die in Deutschland Insolvenz angemeldet hat, steht trotz versuchter Imagekorrektur in der Wahrnehmung der jungen Konsumenten nicht besser da.
Die Filialen seien „unsympathisch“, die Warenpräsentation „unattraktiv“ und die Berichte über schlechten Umgang mit den Mitarbeitern nach wie vor präsent. Ende Jänner dürfte sich das Schicksal der Angestellten entscheiden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2012)

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