Handball-EM: Die Angst vor den serbischen Fußballschlägern

(c) REUTERS (STOYAN NENOV)
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Nach Überfällen auf kroatische Fans geht die Sorge um die Sicherheit beim heutigen Halbfinale gegen Serbien um. Ein Großaufgebot von 5000 Polizisten soll in Belgrad einen reibungslosen Ablauf gewährleisten.

Belgrad. Der Ausflug zum Handballspektakel endete im Glassplitterhagel. Erwartungsfroh hatten sich kroatische Fans zum entscheidenden EM-Zwischenrundenspiel gegen Titelverteidiger Frankreich ins serbische Novi Sad aufgemacht. Doch ihre Freude über den 29:22-Sieg und einen stimmungsvollen Handballabend sollte vielen der frohgemuten EM-Touristen auf der Heimfahrt bald vergehen: Mit Baseballschlägern, Ziegelsteinen und Äxten lauerten Dutzende von vermummten Schlägern der Autokolonne mit kroatischen Kennzeichen auf.

Der Empfang in der Spens-Halle und die Stimmung seien „ausgezeichnet“ gewesen, berichtete erschüttert Danijela Stankovic aus Kroatiens Grenzstadt Vukovar. „Doch als wir an einer Ampel standen, prügelten plötzlich Jugendliche mit allen möglichen Gegenständen wie von Sinnen auf unsere Autos ein, als ob darin keine Leute sitzen würden.“ Durch die Scheibe sei 30 Zentimeter an seinem Kopf vorbei plötzlich eine Axt geschlagen, so ein schockierter EM-Tourist: „Ich dachte schon, das ist das Ende.“

Rechtsextremisten und Hooligans

Das Schlimmste sei gewesen, dass es vorab keine Warnung gegeben hatte, berichtet ein fassungsloser Familienvater. „In den Autos saßen Frauen und Kinder, die von Männern mit Äxten und Steinen angegriffen wurden. Es ist traurig, eine fürchterliche Erfahrung.“

Zwei Wochen lang erwiesen sich die Serben als perfekte Gastgeber einer gut organisierten EM. Nicht zuletzt die zahlreichen Fans aus den Nachbarländern Kroatien, Mazedonien, Ungarn und Slowenien hatten für volle Hallen und prickelnde Atmosphäre gesorgt. Doch ausgerechnet Serbiens berüchtigte Fußballschläger verdarben das bislang heitere Sportfest.

„Die Hooligans wüten, wir erröten“, titelte bedrückt das Boulevardblatt „Press“. Seine Stadt habe sich so bemüht, ein guter Gastgeber zu sein, jammert Igor Pavlicic, der Bürgermeister von Novi Sad. Die Hooligans hätten mit ihren „bestialischen Angriffen“ gezielt die Atmosphäre und den Geist der Toleranz zerstört: „Dies ist ein direkter Angriff auf unsere Stadt.“

Serbische Rechtsextremisten und nationalistische Hooligans der Fußballklubs Roter Stern Belgrad und Vojvodina Novi Sad sollen hinter den generalstabsmäßig geplanten Überfällen auf die kroatischen Handballfans stehen. 13 mutmaßliche Rädelsführer wurden von Serbiens Sicherheitskräften zwar sofort verhaftet, aber mangels Beweisen wieder freigelassen.

Vor dem Halbfinale der einstigen Kriegsgegner am heutigen Freitag in der Belgrad Arena wurde Serbiens Polizei in Alarmbereitschaft versetzt. 5000 Einsatzkräfte sollen in der Hauptstadt und an der Autobahn nach Kroatien die Sicherheit der Gäste garantieren. Doch die verstärkten Sicherheitsvorkehrungen scheinen bislang wenig zu fruchten. In der Nacht zum Donnerstag wurden erneut zwei Fahrzeuge von kroatischen Handballfunktionären auf einem Hotelparkplatz in Novi Sad in Brand gesteckt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2012)

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