SPÖ-Altkanzler Vranitzky fühlt sich in seiner Anti-FPÖ-Haltung bestätigt: Der freiheitliche EU-Mandatar Obermayr habe mit seinem Pogrom-Sager „Geschichtsunkenntnis“ bewiesen, wie davor auch Strache.
Wien. Nach vielen aktiven SPÖ-Politikern meldete sich am Freitag der langjährige Kanzler der SPÖ, Franz Vranitzky, zu heiklen Sagern aus der FPÖ zu Wort. „In Wien war Pogrom-Stimmung.“ Zu diesem Zitat des freiheitlichen EU-Abgeordneten Franz Obermayr, der damit offenbar die vorhergehenden Aussagen seines Parteichefs Heinz-Christian Strache stützen wollte, fiel dem Altkanzler im Gespräch mit der „Presse“ nur eines ein: Obermayr habe damit „entweder eine Art historische Unverschämtheit oder, ganz milde ausgedrückt, Geschichtsunkenntnis bewiesen“. Vranitzky: „Da sieht man, aus welchem Holz diese Partei geschnitzt ist.“
Nicht nur Obermayrs Aussage, sondern davor schon die Aussagen Straches beim Burschenschafter-Ball hätten ihn in seiner langjährigen Anti-FPÖ-Haltung bestätigt, so Vranitzky. „Für mich hat es auch vor diesem sogenannten Kristallnacht-Sager keine SPÖ-FPÖ-Option gegeben. Das hat mich in meiner Linie bestärkt. Ich nehme an, dass auch viele andere Menschen das so sehen.“ Er sei nur froh, dass die SPÖ „eh auf der Linie“ sei, dass mit der FPÖ kein Staat zu machen sei.
Strache hatte vergangenen Freitag auf dem Ball unter anderem gesagt, Angriffe auf Burschenschafter-Buden im Vorfeld des Balls seien „wie die Reichskristallnacht“ gewesen. Für Vranitzky eine nicht zu entschuldigende Aussage; ebenso wie der Strache-Sager „Wir sind die neuen Juden“. Vranitzky, SPÖ-Kanzler von 1986 bis 1997, war stets ein erbitterter Gegner des einstigen FPÖ-Chefs Jörg Haider und schloss eine Koalition seiner Partei mit der FPÖ kategorisch aus.
Während die Freiheitlichen für Vranitzky und zahlreiche weitere Sozialdemokraten auch heute nicht als Koalitionspartner infrage kommen, buhlt man dennoch um ihre Sympathisanten. Immerhin hat man speziell in den Arbeitern – vulgo: „kleiner Mann“ – eine beträchtliche gemeinsame Schnittmenge in der Wählerschaft. So erklärte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter am Freitag, „bisherige FPÖ-Wähler“ seien eingeladen, den Blauen – unter anderem – wegen des „rechtsradikalen Kurses“ den Rücken zu kehren und lieber (wieder) SPÖ zu wählen.
Gratwanderung der ÖVP
Nicht nur die FPÖ-Wähler, sondern offenbar auch die Freiheitlichen selbst bleiben demgegenüber für die ÖVP interessant. Zwar haben sich mehrere ÖVP-Politiker teils deutlich von Straches und auch Obermayrs Aussagen distanziert. Dennoch will man sich die Option Blau-Schwarz nach der nächsten Nationalratswahl (planmäßig 2013) offensichtlich nicht ganz vertun – als Alternative zur Junior-Position in einer rot-schwarzen Koalition. Bei ÖVP-Chef Vizekanzler Michael Spindelegger liest sich das in Richtung Strache so: Wer etwas vergleiche, was „unvergleichbar ist und was mich innerlich empört“, müsse wissen, dass er sich „außerhalb jeder Möglichkeiten“ zur Zusammenarbeit befinde; eine Entschuldigung in Richtung NS-Opfer könnte aber helfen. Was nach der Wahl sei, „weiß keiner“.
Andere ÖVP-Politiker, darunter Klubobmann Karlheinz Kopf und der steirische Landeshauptmann-Vize Hermann Schützenhöfer (der Schwarz-Blau gegenüber grundsätzlich nicht abgeneigt ist), wollten sich aktuell lieber nicht zur Koalitionsfrage äußern.
Die Grünen schon: Die FPÖ sei nicht koalitionsfähig. Das BZÖ legte sich bisher nicht fest. Eine „bürgerliche“ Allianz gilt bei der kleinsten Oppositionspartei aber als mögliches Ziel für 2013. Was sich ohne die FPÖ allerdings kaum ausgehen dürfte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2012)