Wundertier "Alex" konnte nicht nur reden, sondern auch rechnen

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Ein Graupapagei namens Alex, der 100 Wörter beherrschte, zeigte auch mathematisches Talent. Unglücklicherweise starb er mitten im Experiment, die rudimentären Ergebnisse wurden posthum publiziert.

„You be good. I love you. See you tomorrow.“ Das sagte der Graupapagei Alex eines Abends im September 2007 zu seinem Frauchen, Irene Pepperberg. Aber er sah sie nicht wieder, am nächsten Morgen war er tot, der Wundervogel, der reden konnte (fast) wie ein Mensch. 1977 hatte Pepperberg, damals Chemiestudentin, den zwölf Monate alten Alex in einer Tierhandlung in Chicago gekauft, sie merkte bald, dass dieser Papagei nicht einfach gehörte Laute wiederholte wie gewöhnliche Papageien. Stattdessen beantwortete er Fragen und drückte ganz von selbst aus, was ihm auf dem Herzen bzw. auf der Zunge lag: „Alex want gym“, krächzte er, wenn er Bewegung suchte, und wenn er genug davon hatte, gab es Anderes zu hören: „Wanna go chair!“

Ganz von alleine kam Alex nicht darauf, Pepperberg trainierte ihn ausgiebig, mit einer Technik, die „model-rival“ heißt: Dabei zeigt ein Trainer (A) einem Kotrainer (B) ein Objekt – etwa Schokolade – und bittet ihn, es richtig zu benennen. Ein Schüler (C) schaut und hört zu, dann erhält er die gleiche Aufforderung. Sagt auch er den richtigen Namen, gibt es als Belohnung das Objekt.

So lernte sich Alex in die menschliche Sprache ein, am Ende verstand er 500 Wörter und konnte mit 100 aktiv umgehen, er prägte sogar eigene: Als er das erste Mal einen Apfel sah, nannte er ihn „banerry“, vermutlich eine Mischung aus „banana“ und „cherry“, mit diesen Früchten war er vertraut. Die Forscherin Pepperberg lernte sich auch ein, in das Studium des Verhaltens von Alex, sie hatte ihn weitsichtig getauft, nahm den Namen als Akronym erst für Avian Language Experiment, dann für Avian Learning EXperiment. Sie selbst gab die Chemie auf und wurde Psychologin, in Harvard.

Der Vogel lernte viel, unter anderem zählen: Pepperberg zeigte ihm vier grüne, drei rote und fünf blaue Objekte und fragte ihn: „What colour five?“ „Blue“ kam als Antwort. So etwas schafften andere Papageien in Pepperbergs Labor nicht, aber Alex war oft bei den Experimenten mit dabei, etwa einem, in dem Pepperberg dem Papageien „Griffin“ zwei Töne vorspielte, der reagierte nicht. Pepperberg produzierte noch zwei Töne, Alex schaltete sich ein und rief: „Four.“ „Ich sah ihn an und fragte: ,Du willst addieren?‘“, erinnert sich die Forschern: „Fein!“

Und er lernte wieder, erst an Objekten, die die Form arabischer Zahlen hatten: Dann rief er „sieben“, wenn er die „3“ und die „4“ vor Augen bekam; das funktionierte auch, wenn er die Zahlen nur im Kopf hatte, in der Erinnerung: Pepperberg zeigte ihm drei verschiedene Mengen dreier verschiedener Objekte – ein Bonbon, zwei Stücke Schokolade, drei Stücke Pasta etwa –, dann stülpte sie eine Tasse über jede. Alex zog aus dem Gedächtnis Bilanz, korrekt bis auf sechs.

Kein „Kluger-Hans-Effekt“

Und dann starb er, mitten im Experiment, Pepperberg hat posthum die rudimentären Ergebnisse publiziert (Animal Cognition, 8.2.). Denn rechnen wie Alex konnte außer ihm nur noch ein Wundertier, der Schimpanse Scheba. Wie Alex das tat – vielleicht sequenziell, erst eine Teilsumme, dann die nächste, Kinder tun es bisweilen so – lässt sich nicht mehr klären. Aber er tat es, unbeeinflusst: Der Schreck aller Kognitionsforscher ist der „Kluge Hans“, ein Pferd, das zu Beginn des 20.Jahrhunderts angeblich rechnen konnte. Aber Hans reagierte nur auf subtile körpersprachliche Signale, die ihm sein Herr völlig unabsichtlich zukommen ließ. Pepperberg schloss den Effekt aus: Sie ließ die Experimente von Personen ausführen, die Alex zuvor nicht kannte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2012)

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