Sprengstoff in Sicht: Chemie-Analyse aus der Ferne

Sprengstoff Sicht ChemieAnalyse Ferne
Sprengstoff Sicht ChemieAnalyse Ferne(c) AP (Michael Weaver)
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Forscher der TU Wien können TNT & Co. aus mehr als 100 Meter Entfernung nachweisen.

Normalerweise muss man direkt mit Chemikalien hantieren, um ihre Zusammensetzung zu analysieren. Einer Forschergruppe der TU Wien um den Chemiker Bernhard Lendl ist es nun aber gelungen, aus mehr als 100 Meter Entfernung Sprengstoffe nachzuweisen. Möglich wird das durch die sogenannte Raman-Spektroskopie: Wenn eine Chemikalie mit einem Laserstrahl bestrahlt wird, dann wird ein Teil der einfallenden Photonen gestreut. Dabei werden die Moleküle zu Schwingungen angeregt, wodurch sich die Wellenlänge des Lichts verändert. Aus dieser „Raman-Verschiebung“ lassen sich Rückschlüsse auf die chemische Struktur ziehen.

Diese Methode ist seit Langem bekannt und wird in der chemischen Analytik breit eingesetzt, sie hat aber einen Nachteil: Nur wenige Photonen regen einen Raman-Streuprozess an, und da die Photonen in alle Richtungen gestreut werden, gelangt nur ein winziger Bruchteil zum Detektor. „Bisher musste man den Laser und den Lichtdetektor in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Probe aufstellen“, erläuterte Lendl.

Im Rahmen des EU-Projekts Optix wurde nun aber eine Methode entwickelt, mit der eine Analyse auch aus der Ferne möglich ist: Die wenigen Photonen, die Informationen über die Zusammensetzung der Probe enthalten, werden über ein leistungsfähiges Teleskop eingesammelt und mit hochempfindlichen Lichtsensoren ausgewertet. Dadurch erhält man von Sprengstoffen auf Stickstoff- oder Peroxid-Basis einen „Fingerabdruck“.

Das funktioniert sogar, wenn sich die Sprengmittel in einem undurchsichtigen Container befinden: Der Laserstrahl wird zwar an dem Behälter gestreut, dringt aber teilweise ein und löst im Inneren eine Raman-Streuung aus. Das Hauptproblem, so berichten die Forscher, war es, die Lichtsignale vom Behälter und von der Probe zu unterscheiden. Das wurde dadurch gelöst, indem das Messteleskop nicht genau auf den Auftreffpunkt des Laserstrahls gerichtet wurde, sondern etwas versetzt, sodass nur die breit gestreuten Photonen aus dem Inneren aufgefangen wurden.

Die Methode kann vielfältig angewandt werden: Neben der Sprengstoff-Detektion (z.B. auf Flughäfen) können auch andere Objekte analysiert werden, an die man nicht nah genug herankommt – von Eisbergen bis hin zu Gesteinsanalysen bei Mars-Missionen. Die Methode wurde vom Forschungs- und Transfersupport der TU Wien schon zum Patent angemeldet.

Lendl hat bereits reiche Erfahrung bei der kommerziellen Umsetzung von Ergebnissen aus der Grundlagenforschung: Er ist Mitgründer des Wiener Unternehmens QuantaRed, das sich (mit Unterstützung durch FFG und AWS) bei der Analyse von Erdölspuren in Wasser weltweit einen Namen gemacht hat. In einem von der Wiener Technologieagentur ZIT geförderten Projekt wird derzeit eine Infrarot-spektroskopische Methode zur Analyse von Biosprit in Treibstoffen entwickelt.

LEXIKON

Optix („Optical Technologies for the Identification of Explosives“) nennt sich ein mit 3,3 Millionen Euro dotiertes EU-Projekt, in dem Forscher gemeinsam mit Unternehmen und Sicherheitsbehörden ein Gerät entwickeln, mit dem aus 20 Meter Entfernung Sprengstoffe erkannt werden können.

Drei Spektroskopie- Methoden werden dabei kombiniert, um möglichst umfassende Informationen über die Sprengmittel zu erhalten: Raman-, Infrarot- und „Laser Induced Breakdown“-Spektroskopie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2012)

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