Ein US-Magazin hat Experten zur Wahrscheinlichkeit eines Krieges befragt und daraus einen Durchschnittswert von derzeit 48 Prozent errechnet. Israel erklärt, ein Angriff sei "keine Frage von Tagen oder Wochen".
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zwischen dem Iran und Israel zu einem Krieg kommt, steht derzeit etwa Fünfzig zu Fünfzig. Zu diesem Ergebnis kommt das Projekt "Iran War Clock" des US-Magazins "The Atlantic". Das nach dem Vorbild der berühmten "Doomsday Clock" ("Weltuntergangs-Uhr") initiierte Projekt stützt sich auf die Schätzungen eines Panels aus zahlreichen Experten.
Die "Iran-Kriegs-Uhr" wurde auf zehn Minuten vor Mitternacht gestellt, bei 48 Prozent Wahrscheinlichkeit eines Kriegsausbruchs. Laut "The Atlantic" wurde aus den individuellen Schätzungen der einzelnen Experten ein Durchschnittswert errechnet, aufgrund dessen die "Uhr" gestellt wurde. Je nach Kriegsgefahr werde der Zeiger Mitternacht angenähert oder oder weiter weg positioniert. Bei einer 75-prozentigen Wahrscheinlichkeit würde die Uhr auf Fünf vor Zwölf gestellt.
"Wir sind bescheiden hinsichtlich der Genauigkeit dieser Voraussage, bei der es sich in Wirklichkeit um einen kollektiven Check des Bauchgefühls handelt. Doch es könnte näher an der Wahrheit sein als andere verfügbare Vorhersagen", schreibt "The Atlantic". Das Experten-Panel umfasse hochrangige Sachverständige aus den Bereichen Politik, Wissenschaften und Journalismus.
Netanyahu: "Keine Frage von Tagen oder Wochen"
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu erklärte am Wochenende, sein Land wolle den Sanktionen gegen den Iran eine Chance geben und werde in den nächsten Tagen oder Wochen keine Angriffe auf iranische Atomanlagen durchführen. "Ich stehe nicht mit einer Stoppuhr da. Es ist keine Frage von Tagen oder Wochen, aber auch nicht von Jahren. Jeder versteht das," sagte Netanyahu dem Sender Channel 10.
Er und alle israelischen Bürger wären "glücklich", wenn die Angelegenheit friedlich gelöst werden könne, versicherte Netanyahu. Der Iran müsse jedoch seine nuklearen Aktivitäten stoppen, die Anlage in Qom schließen und die Urananreicherung beenden. Es ist jedoch kaum anzunehmen, dass Teheran diese Forderungen erfüllen wird.
Israel hat wiederholt angedeutet, es könnte gezwungen sein, gegen Teheran militärisch vorzugehen, sollte es sein Atomprogramm nicht stoppen. Israel und der Westen verdächtigen den Iran, zumindest nach der Fähigkeit zum Bau von Atomwaffen zu streben. Teheran weist das zurück.
Der Atomstreit mit dem Iran verschärft sich zusehends, Berichte über einen möglichen Angriff Israels mehren sich. Über die Erfolgschancen eines Luftschlags streiten sich Militärexperten. Der Westen befürchtet einen Flächenbrand. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu einer möglichen Attacke auf iranische Atomanlagen. (c) EPA (Michael Hanschke)
Für Befürworter eines Angriffs in Israel drängt die Zeit: Der Iran hat damit begonnen, seine Anlagen zur Urananreicherung unter die Erde zu verlegen, um sie vor Luftangriffen zu schützen. Außerdem ist der Zeitpunkt aus Sicht der Befürworter günstig: US-Präsident Obama (im Bild mit Israels Premier Benjamin Netanyahu) stellt sich im November zur Wiederwahl. Er könnte es sich im Wahlkampf wohl kaum leisten, dem Verbündeten Israel die Unterstützung zu verweigern. (c) REUTERS (JIM YOUNG)
Fordo: 2009 gab Teheran die Existenz dieser lange geheim gehaltenen Anreicherungsanlage südlich von Teheran zu. Die Fabrik in einem Tunnelsystem auf einem früheren Militärgelände nahe der Schiiten-Hochburg Qom bietet Platz für 3000 Zentrifugen zur Urananreicherung. Arak: In dem noch unfertigen Schwerwasserreaktor im Westen des Landes fällt Plutonium an, das für die Bombenproduktion verwendet werden könnte. (c) APA
Natanz (Bild): In der unterirdischen Fabrik südöstlich von Teheran wird angereichertes Uran produziert. Isfahan: Im Zentrum der iranischen Kernforschung gibt es eine Anlage zur Produktion von Kernbrennstäben. Auch das in Zentrifugen zur Urananreicherung benötigte Hexafluoridgas wird südlich von Teheran hergestellt. (c) AP (Hasan Sarbakhshian)
Parhin: In der weitläufigen Militärzone soll jener Metallbehälter stehen, in dem laut der internationalen Atombehörde IAEA möglicherweise Versuche mit nuklearen Raketensprengköpfen simuliert wurden. Bushehr (Bild): In den beiden Atomreaktoren im Südwesten des Landes wurden im Oktober 2010 die ersten aus Russland gelieferten Brennelemente geladen - 35 Jahre nach Baubeginn. Im September 2011 ging Irans erstes Atomkraftwerk offiziell in Betrieb. (c) AP (Majid Asgaripour)
US-Experten haben zuletzt Zweifel daran geäußert, ob Israel überhaupt über eine ausreichende militärische Schlagkraft verfügt. So ist unklar, ob seine "bunkerbrechenden" Bomben stark genug sind, um in die tiefsten unterirdischen Anlagen des Iran vorzudringen (im Bild die Anlage Fordo, die über 60 Meter unter der Erde liegt). Selbst mit dem erheblich größeren Bombenarsenal der USA könnte es nach Einschätzung der Experten viele Wochen dauern, die nuklearen Anlagen Teherans zu zerstören. (c) AP
Selbst der neueste Bunkerbrecher der USA, der "Massive Ordnance Penetrator" (Bild), kann nach US-Medienberichten einige iranische Anlagen nicht zerstören - weil diese sich entweder zu tief in der Erde befinden oder Teheran ihre Befestigungen verstärkt hat. Die Bombe soll nun weiterentwickelt werden. (c) ASSOCIATED PRESS (Defense Threat Reduction Agency)
Andere Analysen militärischer Institute kommen aber sehr wohl zu dem Schluss, dass Israel die Kapazitäten zu einem vernichtenden Langstreckenangriff habe, der Irans Atomprogramm zumindest deutlich zurückwerfen würde. Israel hat 350 Kampfjets; im „Projekt Daniel“ wurden die Langstreckenkapazitäten seit 2003 verstärkt (etwa durch neue Technologie und intensives Training). (c) REUTERS (NIR ELIAS)
Für die Flugrouten gibt es mehrere Varianten: Eine Nordroute führt über die Türkei oder den Norden Syriens und des Irak. Länge bis Isfahan: gut 2200 Kilometer. Syrien könnte die Israelis kaum stoppen, aber die Krise zwischen der Türkei und Israel macht die Route zum Hasard. Der Irak hat keine Luftwaffe, US-Jets dort dürften „wegschauen“. Im Nordiran sind aber starke Jagdverbände. Die Zentralroute (1800 km) führt über Jordanien und den Irak, es steht aber der jordanisch-israelische Frieden auf dem Spiel, dafür ist Irans Luftabwehr hier schwach. (c) Presse
Verlockend ist die „saudische Route“ (2400 km): Die Saudis haben eine starke Luftwaffe, sind aber mit Teheran verfeindet. Angeblich haben sie Israel „grünes Licht“ signalisiert. Die extrem lange (6000 km) Umgehungsroute um Arabien ist politisch einfach, aber die Vorwarnzeit und der Flug durch Irans Luftraum am längsten und die Betankung der Jets durch Lufttanker (die auch bei der Nord- und Saudi-Route nötig wäre), kaum zu organisieren.(Bild: Israelischer F-16 wird in der Luft betankt) (c) EPA (Israeli Defense Forces)
Den Luft-Angriff unterstützen dürften drei U-Boote vom Arabischen Meer aus mit Marschflugkörpern. Die Schiffe sind vom Typ „Dolphin“ und wurden in Deutschland gebaut. (c) AP (TARA TODRAS-WHITEHILL)
Irans 120 bis 170 Jäger sind ältere französische und US-Typen (inkl. einiger moderner russischer MiG-29), aber die Piloten sind motiviert und erfahren und das Arsenal an Raketen vielfältig. Als stark gilt die Luftabwehr mit ihren über 300 Raketen- und 1500 Kanonensystemen. Unter anderem hat der Iran russische „Tor-M1“-Raketen (Bild). Griechenland hat sie ebenfalls, griechische Piloten erzählen: „Die sind fast unüberwindlich. Sobald man eine brauchbare Ziellösung hat, etwa 30 Meilen vor dem Ziel, killt es dich wie ein Hammer.“ (c) EPA (Str)
Israel müsste bei einem Angriff nicht nur mit einem Gegenschlag Teherans rechnen, auch aus dem Libanon und dem Gazastreifen könnten Attacken kommen. "Die ganze Region wird brennen", sagte ein israelischer Oppositionspolitiker der Zeitung „Haaretz“. Der Westen befürchtet außerdem, dass der Iran überall auf der Welt Terroranschläge veranlassen könnte. Auch wirtschaftliche Schwierigkeiten drohen: Die Ölpreise würden in die Höhe schnellen. (c) EPA (Akhtar Soomro)
Im November 2011 warf die Internationale Atomenergiebehörde IAEA dem Regime erstmals vor, an der Entwicklung einer Atombombe gearbeitet zu haben. Der Iran soll damit begonnen haben, auf 20 Prozent angereichertes Uran herzustellen. Für den Betrieb eines Rektors muss Uran auf etwa drei, für eine Kernwaffe auf rund 90 Prozent angereichert werden. Im Februar verkündete der Iran, einen Forschungsreaktor in Teheran mit den ersten im eigenen Land produzierten Brennstäben bestückt zu haben. (c) AP
US-Verteidigungsminister Leon Panetta sagte im Dezember 2011, dass der Iran noch etwa ein Jahr für den Bau einer Atombombe brauchen würde, sollte er sich dafür entscheiden. Der Iran behauptet, sein Atomprogramm diene nur zivilen Zwecken. (c) AP (Frank Augstein)
Seit Jahren versucht der Westen, Teheran mit politischem Druck und wirtschaftlichen Sanktionen von seinem Atomprogramm abzubringen – bisher ohne Erfolg. Zuletzt hat die EU ein Ölembargo beschlossen, das im Sommer in Kraft tritt. Große Staaten wie Russland, China und Indien beteiligen sich nicht an den internationalen Sanktionen, was deren Wirkung begrenzt. (c) AP (David Goldman)
Israelische Demonstranten wollten die unabsehbaren Kosten und Opferzahlen eines Militärschlags gegen Irans Atomanlagen aufzeigen. Ein Krieg habe nichts mit den beiden Völkern zu tun.
Auch Explosionen und Computerviren könnten dem iranische Atomprogramm Schaden zufügen. Ein Angriff hänge davon ab, ob die Sanktionen greifen, oder der Iran sein "Spielchen" fortsetzte.
Ein Angriff würde die gesamte Region zerfetzen. Sicherheit für Israel sei nur möglich, wenn das Land in der Region anerkannt werde. Der gesamte nahe Osten müsse eine atomwaffenfreie Zone werden.
Die US-Regierung fürchtet die Risiken eines israelischen Angriffs auf den Iran. Die USA müsste mit hunderten Toten und iranischen Angriffe auf US-Schiffe rechnen. Die Folgen wären unvorhersehbar.
22 Verdächtige wurden festgenommen. Sie sollen Attentate auf die Vertretungen der USA und Israels geplant haben. Behörden vermuten eine Verbindung zu den iranischen Revolutionsgarden.
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