Ungarn: Der Präsident verliert seinen Doktor

(c) REUTERS (SRDJAN ZIVULOVIC)
  • Drucken

Plagiatsaffäre. Staatschef Pál Schmitt, ehemaliger Fecht-Olympionike, hat seine Dissertation abgekupfert. Die Uni hat ihm den Doktortitel aberkannt, er seinen Wien-Besuch abgesagt.

Budapest. Die Vorwürfe gegen Ungarns Präsident Pál Schmitt wiegen schwer, aber die Berichterstattung der regierungskritischen Zeitung „Népszabadság“ war doch leicht respektlos: Auf ihrer Titelseite stand am Mittwoch „Doktor Plágium“ – und die Überschrift einer Glosse daneben lautete gar „Dieb!“

Am Abend war der dann sozusagen gefasst: Da gab der Senat der Budapester Semmelweis-Universität bekannt, dass man Schmitt den einst verliehenen Doktortitel aberkannt habe. Grund: massive Plagiatsvorwürfe bezüglich seiner Doktorarbeit. 33 Mitglieder des Senats stimmten dafür, nur vier dagegen. Der rechtskonservative Politiker befand sich am Donnerstagabend auf der Rückreise von einem Besuch in Südkorea. Am Freitag sollte er nach Wien weiterreisen, doch daraus wurde nichts. Laut dem Wiener Künstlerhaus wird der Politiker nicht an der Ausstellungseröffnung teilnehmen. Auch alle anderen offiziellen Termine des Staatschef wurden am Freitag gestrichen.

Vor Tagen hatte eine Kommission der Semmelweis-Uni einen mehr als 1000 Seiten starken Bericht vorgelegt, in dem untersucht wurde, ob der ehemalige Fecht-Olympiasieger (1968 in Mexiko-City, 1972 in München) beim Abfassen seiner Doktorarbeit von 1992 über „Das Programm der Olympischen Spiele in der Neuzeit“ nicht schwer abgeschrieben habe. Ergebnis: 180 Seiten der Arbeit decken sich „über weite Strecken“ mit einem Werk des verstorbenen bulgarischen Sportwissenschaftlers Nikolai Georgiev. Weitere 17 Seiten habe Schmitt aus einer Arbeit des deutschen Sportwissenschaftlers Klaus Heinemann „in vollem Umfang“ abgeschrieben.

Bereits am Donnerstag hatte sich der Doktorenrat der Semmelweis-Universität mit 16 gegen zwei Stimmen dafür ausgesprochen, Schmitt den akademischen Titel abzuerkennen.

Rettungsring für Präsidenten

Noch am Dienstag hatte es indes gut ausgesehen für den 69Jährigen: Die Untersuchungskommission der Uni war am Ende ihres Berichts nämlich zu einem im Licht ihrer Erkenntnisse überraschenden Schluss gekommen: Zwar räumte sie ein, dass die Doktorarbeit auf „ungewohnt umfangreichen textgetreuen Übersetzungen beruht“, sie wies die Schuld jedoch nicht Schmitt zu, sondern seinen damaligen Opponenten und der Universität. Ihre Begründung: Man habe ihn nicht darauf aufmerksam gemacht, dass seine Doktorarbeit nicht den Vorschriften entspreche.

Viele Beobachter vermuten hinter diesem irritierenden Resümee aber eher den Versuch, dem Staatsoberhaupt einen Rettungsring zuzuwerfen. Schmitt nahm diese Hilfe auch dankend an. Auf seiner Südkoreareise ließ er am Dienstag verlauten, dass er nicht daran denke, zurückzutreten. Vielmehr fühle er sich durch den Bericht der Untersuchungskommission darin bestätigt, nichts falsch gemacht zu haben.

Unterstützung bekam Schmitt auch von seiner ehemaligen Partei „Fidesz“. In einer Presseerklärung stellte die Regierungspartei trocken fest, dass die Plagiatsaffäre nun endgültig vom Tisch sei. Welch Irrtum, wie die dramatische Wende vom Donnerstag zeigte.

Nun neigt auch seine „Heimatpartei“ Fidesz offenbar dazu, dem Präsidenten den Rücktritt nahezulegen: wegen des enormen „moralischen Schadens“ für das Präsidentenamt. Dies sagte jedenfalls der stellvertretende Parteivorsitzende Zoltán Pokorni. Selbst die regierungsnahe Zeitung „Magyar Nemzet“ rief Schmitt in einem Leitartikel am Mittwoch dazu auf, „die Konsequenzen zu ziehen“.

94,6 Prozent abgeschrieben

So oder so – diese akademische Affäre ist ein weiterer herber Schlag für die ohnehin schon durch die EU-Sanktionen stark gebeutelte Regierung des rechtskonservativen ungarischen Premierministers Viktor Orbán.

Die Plagiatsaffäre war bereits im Jänner von der Onlineausgabe der linksliberalen Wochenzeitung „hvg“ ins Rollen gebracht worden. Laut „hvg“ hat Schmitt neben den 180 Seiten aus Georgievs Werk und den 17 Seiten aus Heinemanns Arbeit auch noch zehn Seiten aus einer Broschüre des Internationalen Olympischen Komitees abgekupfert. Insgesamt habe er damit satte 94,6 Prozent seiner Dissertation abgeschrieben, so „hvg“.

Auf einen Blick

Ungarns Präsident Pál Schmitt,ein ehemaliger Fecht-Olympiasieger, soll rund 200 Seiten seiner Dissertation abgeschrieben haben. Zu diesem Schluss kam diese Woche eine Untersuchungskommission. Der Doktorenrat der Budapester Semmelweis-Universität sprach sich für die Aberkennung des Doktortitels aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kommentare

Eine Blamage für Orbán

Ein Präsident ohne Rückgrat war eben doch nicht die richtige Wahl.
Hungarian President Schmitt hold a joint news conference in Budapest
Außenpolitik

Plagiatsaffäre in Ungarn: Gibt Schmitt Rücktritt bekannt?

Der ungarische Präsident hat seine Dissertation abgekupfert. Die Universität hat ihm deswegen seinen Doktortitel aberkannt. Im Fernsehen will er zu der Angelegenheit Stellung beziehen.
Ungarn Plagiatsaffaere Praesident abgewendet
Hochschule

Ungarn: Präsident hat bei Dissertation abgeschrieben

Obwohl Pal Schmitt lange fremde Textpassagen übernommen hat, entspricht die Arbeit den formalen Kriterien: Seine Uni habe die Textgleichheit nicht rechtzeitig aufgedeckt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.