Bossi: Die politische Karriere eines Provokateurs

Die politischen Weggefährten und Streithähne Bossi und Berlusconi anno 2008
Die politischen Weggefährten und Streithähne Bossi und Berlusconi anno 2008(c) EPA (Alessandro Di Meo)
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Der Lega-Chef ritterte gegen den Zentralstaat in Rom und rief eine unabhängige "Republik Padanien" aus. Berlusconi half ihm in die Regierung. Und Berlusconis Abstieg führte auch die Lega-Nord in eine tiefe Krise.

Mit seinen sezessionistischen Slogans und deftigen Sprüchen hat der am Donnerstag zurückgetretene Chef der Lega Nord, Umberto Bossi, Italiens politische Szene revolutioniert. Seine separatistischen Parolen und sein rebellisches Verhalten hatten Anfang der Neunziger-Jahre auf entscheidende Weise zur Erneuerung des politischen Parketts beigetragen. Kampfeslust und politisches Geschick hat der 70-jährige Bossi stets in seiner langen Karriere mit vielen Höhen und Tiefen bewiesen.

Sogar der Schlaganfall, den er 2004 erlitt, hatte seinen rebellischen Geist nicht zähmen können. Doch der provokativste aller italienischen Politiker, der über zwei Jahrzehnte lang mit seinen populistischen Slogans gegen "Roma ladrona" (das "diebische Rom") zu Felde gezogen war, muss vor dem verheerenden Vorwurf der Veruntreuung von Parteigeldern und der Günstlingswirtschaft kapitulieren.

Unabhängigkeit für "Republik Padanien"

Der 1941 in Varese geborene Bossi begann seine Laufbahn als "Außenseiter", als er 1982 die autonomistische "Lega Lombarda" gründete. Ins Rampenlicht trat Bossi erst 1987, als er für die "Lega" als Senator ins römische Parlament einzog. Von da an wurde er immer mehr zum Symbol des Protests der Norditaliener gegen die angeblich "korrupte" Politik Roms und deren Zentralismus. Dies gipfelte in der Forderung, Italien dreizuteilen. Bei den Parlamentswahlen im Frühjahr 1992 erfolgte der große Durchbruch der mittlerweile in "Lega Nord" umbenannten Partei - sie eroberte insgesamt 80 Sitze in den beiden Parlamentskammern.

Provokant und trotzig schloss Bossi im Jahr 1994 den Wahlpakt mit dem Medien-Zaren Silvio Berlusconi und brachte vier Minister in die Regierung. Im Dezember 1994, nach knapp neun Monaten, brach er die Wahlallianz und verursachte so Berlusconis Sturz. Die beiden wurden zu Erzfeinden. Die Lega Nord entschloss sich zum Alleingang, was der Partei jedoch keinen politischen Erfolg brachte. Um die Isolation zu durchbrechen, wandelte sich Bossi vom Föderalisten zu einem überzeugten Separatisten.

Seine Pläne, Norditalien vom Rest des Landes abzuspalten und in die "Republik Padanien" umzuwandeln, sorgten für Aufregung. Im September 1996 proklamierte er feierlich in Venedig die Unabhängigkeit Padaniens, jener Großregion südlich des Alpenbogens bis nach Florenz, die ihre Bezeichnung dem lateinischen Namen Padus für den Po-Fluss verdankt. "In zwei Jahren wird Padanien mit den Attributen der Souveränität, eigenem Geld, Miliz und Justiz ausgestattet sein", versprach Bossi.

2000: Neuer Pakt mit Berlusconi

Sein Vorhaben blieb pure Theorie. Die Norditaliener wandten sich immer mehr von Bossis Projekten ab. Die Partei verlor Stimmen und erreichte bei den Europawahlen im Juni 1999 mit knapp vier Prozent den Tiefpunkt. Der "Senatur", wie Bossi im lombardischen Dialekt genannt wird, musste seine Strategie revidieren. So entschloss er sich, alte Feindschaften zu begraben und sich Berlusconi wieder anzuschließen. Der Wahlpakt wurde im März 2000 unterzeichnet.

Ein Jahr später gewann Berlusconi die Parlamentswahlen. Bossi zog als Reformenminister in die neue Regierung ein - mit einem einzigen Ziel: Italiens strikt zentralistisches Staatssystem zu föderalisieren. Bossis Hoffnungen wurden enttäuscht. Bei einem Referendum im Juni 2006 lehnten die Italiener mehrheitlich die Reform ab. Die Regierung Berlusconi endete, ohne dass Bossi seine föderalistische Reform durchsetzen konnte.

Nach zwei Jahren in der Opposition gewann die Lega Nord im Bündnis mit Berlusconi die Parlamentswahlen 2008 und avancierte zur zweitstärksten Regierungspartei. Die wegen ihrer ausländerfeindlichen Politik bekannte Lega Nord beeinflusste die Strategie der Regierung Berlusconi zutiefst. Unter Bossis Regie setzte die Lega Nord den sogenannten Steuerföderalismus durch, mit dem Gemeinden und Regionen stärkere Kompetenzen erhielten.

Bossi gerät in Abwärtsstrudel von Berlusconi

Bossis Popularität wackelte in den vergangenen Monaten unter dem Druck der Schuldenkrise und des angeschlagenen Images des skandalerschütterten Premiers Berlusconi. Die Lega Nord wurde beschuldigt, den Regierungschef passiv zu unterstützen, der in den Strudel einer Serie von Skandalen rund um Callgirls und zwielichtige Unternehmer geraten war. Nach Berlusconis unrühmlichem Rücktritt im vergangenen November weigerte sich Bossi, die Regierung des "Technokraten" Mario Monti zu unterstützen.

Die Lega ging als einzige Partei im Parlament in die Opposition. Damit brach Bossi die seit 2001 bestehende Partnerschaft mit Berlusconis Gruppierung, dank der seine Partei dreieinhalb Jahre lang entscheidende Schlüsselpositionen im politischen Rom besetzt hatte.

Seitdem ist es mit der Lega rasant bergab gegangen. Mit kaum überzeugenden alten sezessionistischen Slogans versuchte Bossi vergebens, die von den Sparmaßnahmen schwer belasteten Norditaliener zur "Revolution" gegen die "Regierung der Banker" aufzurufen. Bossi geriet überdies parteiintern wegen  den Vorwürfen des untransparenten Umgangs mit den Parteibüchern unter Druck. Am Mittwoch musste der Lega-Schatzmeister Francesco Belsito wegen des Vorwurfs der Geldwäsche, des Betrugs und der illegalen Parteienfinanzierung zurücktreten.

Korruptionsskandal als politisches Ende

Der politische Schaden für die Gruppierung ist unermesslich, vor allem angesichts der bevorstehenden Kommunalwahlen am 6. und 7. Mai, zu denen neun Millionen Italiener aufgerufen sind. Sehr wahrscheinlich wird die Affäre um die Parteigelder zugunsten seiner Familie Bossis politisches Ende bedeuten. Für den Saubermann aus Varese, der seine ganze Karriere dem Kampf der "korrupten Führungselite" des römischen Zentralstaates gewidmet hatte, hätte der Niedergang nicht blamabler sein können.

(APA)

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