Baskenland: Köstliche Häppchen

Das spanische Baskenland ist eine wunderbar heile Welt, in der sich köstliche Häppchen und Schlückchen unter fantastische Augenblicke mischen.

TIPPS

Hilflos, nein, eher sprachlos findet sich der Baskenland-Anfänger wieder. Er steht an der hölzernen Theke, vor ihm stapelweise verlockend duftende Häppchen, kleine Brotscheiben mit Schinken, Fleisch oder Gemüse belegt, und versucht auszusprechen, was auf der Tafel geschrieben steht. Die hängt an der Wand hinter dem freundlich lächelnden, weiß beschürzten Barmann und listet das Speiseangebot auf. „Txakoli“ steht da und „Pintxo“. Selbst wer es wirklich und ehrlich auszusprechen versucht, wird nicht verstanden.

Zu den Pintxos, der baskischen Version der Tapas, servieren die Basken in breiten, dünnwandigen Glasbechern ihren ganzen Stolz, den Txakoli. Eingeschenkt wird aus etwa einem halben Meter Höhe, sodass er später leicht sprudelig auf der Zunge tanzt. Nur einen Daumen breit werden die Gläser auf diese Art gefüllt. Der Wein ist mit dem Baskenland eng verbunden, er wird ausschließlich hier angebaut, in den lokalen Bodegas – den Weingütern – hergestellt und abgefüllt und in den baskischen Kneipen getrunken.

Export gibt es kaum. Die Bodegas schmiegen sich zwischen die Hügel, in einem auffallend grünen Land. Dieses Grün verdankt das nördliche Baskenland seiner feinen Lage: Von Atlantik und Bergen umschlossen, fängt es die gesamte Feuchtigkeit der Wolken ein, die über das Meer hereintreiben. In Zeiten, zu denen sich Spaniens Mitte wie eine Bratpfanne erhitzt und die unerbittliche Sonne in den südlichen Regionen Brände auslöst, genießt man hier im Norden saftige Wiesen, kühle Abende und eine ständige, angenehm salzige Brise.

Unaussprechliche Namen. In drei Regionen teilt sich das Baskenland (Euskadi auf Baskisch): Gipuzkoa (Guipúzcoa) mit der Hauptstadt Donostia (San Sebastian) im Nordwesten. Westlich liegt Biskaya (Vizcaya) mit der Hauptstadt Bilbo (Bilbao) und im Süden Araba (Alava), deren Hauptstadt Vitoria-Gasteiz zugleich die Hauptstadt des gesamten Baskenlandes ist. Als Einzige der drei Metropolen liegt Vitoria-Gasteiz nicht an der Küste.
Der Zusatz „Gasteiz“ ist übrigens nicht die baskische Version von Vitoria, sondern der Name des kleinen Dörfchens, aus dem Vitoria herausgewachsen ist. Mit 240.000 Einwohnern ist die Stadt mit dem mittelalterlichen Kern die kleinste im Reigen der großen drei. Und trotzdem ist sie Sitz der Regierung der unabhängigen Region Baskenland.

In nur einer Generation versechsfachte sich die Einwohnerzahl von Vitoria. So gibt ihr Umland das typische Bild einer zu schnell gewachsenen Stadt ab: einfallslose, lieblos aneinandergereihte Wohnbunker und Industriegebiete. Noch hat das Wachsen und die damit steigende Hässlichkeit der Vorstädte kein absehbares Ende. Die putzige Innenstadt entschädigt jedoch für vieles. Verwinkelte, steile Gässchen, eine mächtige Kathedrale, mittelalterliche Häuser und winzige, verglaste Balkone. Und: ein unterirdisches Saugrohrsystem zur Müllentsorgung. Wie das Periskop eines U-Bootes taucht es immer wieder in den gepflasterten Straßen auf. Wer etwas wegwerfen möchte, legt es in das Rohr und schließt die Klappe. Durch insgesamt 23 Kilometer Kanalsystem werden dann Apfelbutzen und Zuckerlpapier in die Müllverbrennungsanlage transportiert. Faszinierend! Beispiellos und beispielhaft. Aber ganz abgesehen davon: kleine Plätze, gemütliche Bars, steile Sträßchen, originelle Läden, entspannte Atmosphäre. Vitoria-Gasteiz ist im Zentrum eine wirklich hübsche Stadt. Einziger Minuspunkt: keine Küste!

Also auf ans Meer. Bilbao, die Hauptstadt der Region Biskaya, ist eine der wichtigsten Hafenstädte des Landes. Im Großraum Bilbao wohnen knapp eine Million Menschen, bis vor wenigen Jahren war die Stadt Synonym für von Industrieschloten verdreckte Luft und fehlende Lebensqualität. Doch Bilbao hat sich mittlerweile auf den Weg aus dem Moloch gemacht. Statt in Industrie wird jetzt in moderne Kunst investiert. Der überdimensionale Terrier, der mit Blumen in allen möglichen Farben bewachsen ist, kündigt es an: das Symbol der kulturellen Revolution von Bilbao, das Guggenheim-Museum, das heuer seinen 15. Geburtstag feiert. Der futuristische Glas-Stahl-Beton-Bau von Frank Gehry beherbergt Werke von Andy Warhol und Anselm Kiefer und überdimensionale begehbare Stahlskulpturen von Richard Serra. Draußen funkeln Jeff Koons bunte Metalltulpen in der Sonne.

Die moderne Kunst ist wichtig geworden, nicht nur im Guggenheim. Sie hält in Form von mächtigen Metallskulpturen auch Einzug in die Innenstädte. Design ist sowieso in Spanien zu Hause: Kleine, feine Designerlabels, Schuhläden, Designhotels reihen sich in den Straßen von Bilbao aneinander. Ganz abgesehen von weltweit bekannten Modeketten wie Mango, Zara oder Camper. Bilbao hat den Absprung geschafft und ist nicht mehr als Stadt der verpesteten Luft berühmt.

Langsam füllen sich die Gassen. Es wäre auch zu schade – die Innenstadt ist wirklich zu gemütlich. Entlang der Uferpromenade des Rio Nervión kann man vom Guggenheim-Museum in die Altstadt spazieren. Am Plaza Nueva sitzt man draußen in der Nachmittagssonne und genießt ein paar Pintxos – mit Schinken, Pilzen, Stockfisch und Paprika oder Gänseleber – und einen Schluck Txakoli, Rueda – auch eine typische lokale Weißweinsorte – oder ein Glas Rioja.

Langsam füllen sich die Gassen. Wenn die Sonne untergeht, kommt Leben in Bilbaos Straßen. Draußen, vor den winzigen Pintxos-Bars, stehen Leute, jung wie alt, und ziehen von Bar zu Bar. Hier ein Happen, dort ein Schlückchen. Gesessen wird die ganze Nacht nicht. Und auch tags darauf wird nicht ausgeruht, denn da wartet noch ein echtes Juwel.

Über Hügel, an leuchtend gelben Büschen, schroffen Gebirgen und golden glänzenden, abgeernteten Feldern vorbei geht es zur eigentlichen Perle des Baskenlandes, San Sebastian. Die Straße steigt steil an, zwischen grünen Hügeln und knorrigen Bäumen schlängelt sie sich auf den Pass hinauf und wieder hinab bis Donostia (San Sebastian).
Das Seebad – Bilbao und Vitoria mögen verzeihen – ist schlicht die schönste der drei Hauptstädte. Vom Monte Igueldo aus kann man die ganze Stadt überblicken und sieht hinter einem schmalen Stück Sandstrand das Häuser- und Straßengewirr von San Sebastian. Einheimische spazieren am Ufer auf und ab, das erkennt man auch von weit weg. Denn nur Touristen liegen in der Sonne und braten. In die andere Richtung reicht der Blick über den weiten, unendlichen Atlantik.

Kühle Brisen. Die Häuser San Sebastians sehen französisch aus, elegant. Menschen tummeln sich auf den breiten Gehwegen, einer hat ein Surfbrett unterm Arm, der nächste noch Sand an den braun gebrannten Waden. Moped- und Autolärm mischen sich in das Treiben, das Schlurfen von Badelatschen. Am Sandstrand, direkt beim Kongresszentrum, dem modern-futuristischen „Kursaal“, dem Kongresszentrum San Sebastians, gibt es ein Beachvolleyball-Turnier.
Im Kursaal werden übrigens auch einige Filme des weithin bekannten San-Sebastian-Film-Festivals (das nächste findet im September statt) gezeigt. Und gleich dahinter erheben sich die saftig grünen Hügel, eine kühle Brise weht vom Atlantik herein.

Und doch: Strand hin oder her – auch hier dreht sich alles ums Essen. In San Sebastian wurden die Pintxos erfunden, die Stadt hat mit 16 Sternen die höchste Michelin-Dichte der Welt. Auf Besuch in einer der vielen „Gastronomischen Gesellschaften“ wird ein bisschen klarer, warum: In San Sebastian, rund 180.000 Einwohner, gibt es über hundert solcher Kochclubs. Jeweils um die einhundert Männer treffen einander regelmäßig, um gemeinsam zu kochen. Frauen unerwünscht. Jedes Klublokal verfügt über eine perfekt ausgerüstete Edelstahlküche und einen Gastraum, von den Mitgliedern selbst renoviert, und jedes Mitglied kann Familie und Freunde hierher einladen.
Die Zutaten bringt der Koch selbst mit, natürlich nur vom Feinsten: Steak, Seeteufel, Krebs, Blutwurst, Pilze, frisch gebackenes Brot. Und dazu, natürlich, ein Schlückchen Txakoli. Die Männer kochen mit Leidenschaft und Genuss. Frauen sind in der Küche tabu – abgesehen von der Putzfrau, die jeden Tag kommt, um aufzuräumen. Es wird viel gelacht, mit Händen und Füßen erzählt, gesungen, dann setzt sich einer ans Klavier und spielt.
So ist er eben, der Baske: offen, ehrlich, lustig, freundlich. Und ein echter Genussmensch. Ach ja, übrigens: Die Sache mit dem „tx“ sei hier verraten: Sprechen Sie „tx“ wie „tsch“ aus: „Tschakoli“, „Pintscho“. Prost, Mahlzeit.

Unbedingt reservieren im Zortziko, dem Restaurant des berühmten Sternekochs Daniel García. www.zortziko.es

Im Azurmendi kocht Eneko Atxa. Das Restaurant (2 Michelin-Sterne) schließt an eine Bodega an und ist wunderschön designed und eingerichtet: www.azurmendi.biz

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