Die Studentenvertreter fürchten schon bald einen unkontrollierbaren Anstieg der Studiengebühren – und kritisieren die "Stillstandspolitik" des Wissenschaftsministers.
Wien. Was für eine kurze Zeit wie ein brillanter taktischer Schachzug wirkte, wird für Uni-Minister Karlheinz Töchterle (ÖVP) immer mehr zum PR-Debakel: Für seinen Plan, die Universitäten – am innerkoalitionären Widerstand der SPÖ vorbei – zur autonomen Einhebung von Studiengebühren zu drängen, erntet Töchterle zunehmend Kritik von allen Seiten. Sein Vorgehen sei „ein Schlag ins Gesicht“ aller Studierenden, lautet nun der Vorwurf der ÖH-Bundesvertretung. Der Minister begehe „einen extremen Vertrauensbruch“, sagt Martin Schott vom ÖH-Vorsitzteam im Gespräch mit der „Presse“. Töchterle „lässt die Unis und die Studierenden seit Monaten im rechtslosen Raum im Regen stehen“. Es könne nicht sein, dass er sich „nun noch weiter aus der Verantwortung zieht“.
Der Grund für die Verärgerung: Töchterle hat am Wochenende in der Tageszeitung „Österreich“ seinen Alleingang einmal mehr verteidigt. Und sogar nachgelegt: Segnet der VfGH das Vorhaben einzelner Unis, auf eigene Faust (und derzeit eigenes Risiko) Gebühren einzuheben, ab, dann sei eventuell gar keine gesetzliche Neuregelung der Studiengebührenfrage mehr nötig, wird Töchterle in „Österreich“ zitiert. Das würde bedeuten, dass die Leitungsgremien der Unis künftig allein über die Höhe der Studiengebühren an ihrer Institution entscheiden dürften. Auch die „soziale Abfederung“ könnte den Universitäten überlassen werden, so Töchterle. „Ich traue den Unis ein ausreichend soziales Gewissen durchaus selbst zu.“
Trotz fehlender Rechtssicherheit haben sich acht der 21 heimischen Unis entschieden, in diesem Semester Gebühren einzuheben wie bisher. Nun wird immer wahrscheinlicher, dass sie dieses Geld zurückzahlen müssen: Der VfGH hat Bedenken gegen Einhebung durch die Unis geäußert und ein Verfahren eingeleitet. Zu 85 Prozent führen solche Verfahren mit der Aufhebung der entsprechenden Regelung. (c) Die Presse (Clemens Fabry)
Was die Gebühren betrifft, so haben die Unis diese aber ohnehin bislang rückgestellt und nicht verwendet. Insgesamt sind es eher die großen Unis, die Gebühren einhoben, die kleinen eher nicht.. Die Uni Wien fixierte als erste die alte Regelung, nach der Nicht-EU-Bürger und Langzeitstudenten 363 Euro zahlen pro Semester zahlen müssen. (c) Dapd (Ronald Zak)
Viele Unis fühlten sich wegen ihrer finanziellen Probleme zu dem Schritt in die rechtliche Grauzone gezwungen. Manche entschieden sich gegen das Risiko: Das Studium an der Uni Salzburg wird auch im Herbst für alle gratis bleiben. Zwar wollte das Rektorat Gebühren, der Senat lehnte aber ab. Nun soll es aber einen bitteren Sparkurs geben: 1,5 Millionen Euro sollen bei Professoren, Mitarbeitern und Studenten eingespart werden. (c) Uni Salzburg
Das Studium am der medizinischen Uni Wien bleibt im Herbst für alle Studenten gratis. (c) Med Uni Wien
Das Studium an der Angewandten bleibt vorerst ebenfalls gratis: Senat und Rektorat haben sich gegen autonome Gebühren entschieden. Begründung: Die vom Ministerium vorgeschlagene Einhebung wird als "verantwortungsvermeidendes Abschieben von erheblichen Risken" abgelehnt. (c) Clemens Fabry
13 Prozent der Studenten haben an der Uni Graz Studiengebühren bezahlt, bevor die Regelung gekippt wurde. Auf dieses Geld will man nicht verzichten. Der Senat hat zugestimmt: Es gelten wieder Gebühren für einen Teil der Studenten. (c) Uni Graz
Die TU Wien hat 20 Mio. Euro Schulden. Trotzdem wird auch im kommenden Wintersemester das Studium für alle Studenten kostenlos sein: Der Senat der Uni hat den Antrag des Rektorats mit einer großen Mehrheit abgelehnt. „Aus finanzieller Sicht ist dieser Beschluss für die TU Wien außerordentlich schwierig“, kommentierte Rektorin Sabine Seidler die Abstimmung. (c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
Ab Wintersemester 2012/13 heißt es an der Wirtschaftsuni wieder zahlen, wie der Senat entschieden hat. Allerdings nur für "Langzeitstudenten" und Studenten aus einem Nicht-EU-Land. (c) Clemens Fabry
Die Universität für Musik und darstellende Kunst wollte wegen der "eklatanten Rechtsunsicherheit" keine Gebühren einheben. Die meisten Kunst-Unis folgten diesem Weg. (c) Kunstuniversität (Martin Moravek)
Rektorat und Senat der Bildenden haben bereits am 8. März beschlossen, keine Studiengebühren einzuheben. (c) Clemens Fabry
Die Ausnahme unter den Kunst-Unis ist das Mozarteum: Dort heißt es ab Herbst für einen Teil der Studierenden wieder zahlen. (c) Mozarteum (Christian Schneider)
Wie an der TU Wien hat sich auch im Senat der Uni Klagenfurt keine Mehrheit für Studiengebühren gefunden. Damit bleibt das Studium in Kärnten vorerst gratis. (c) Uni Klagenfurt
Ein "Nein" zu autonomen Studiengebühren kommt aus Leoben, der Montanuni war die rechtliche Lage zu unsicher. (c) Montanuni Leoben
An der Technischen Universität Graz stimmte der Senat schon Anfang Mai dafür, Studiengebühren einzuheben.Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, so Senatsvorsitzender Werner Puff: "Nach Abwägung der rechtlichen Unsicherheit sind wir zur Entscheidung gekommen, dass es für die TU Graz notwendig ist, Studienbeiträge in die Lehre fließen zu lassen." (c) TU Graz
Die Universität Innsbruck kassiert im Wintersemester von Langzeitstudierenden und Drittstaatenangehörigen wieder Studiengebühren in Höhe von 363,36 Euro pro Semester. (c) Uni Innsbruck
Die Universität für Bodenkultur Wien hat sich genauso wie die Med-Uni Graz gegen die Einhebung von autonomen Gebühren entschieden. (c) Johannes Kepler Universität
Auch an der Tiroler MedUni hat man sich wie an den MedUnis Graz und Wien, gegen die Einführung von autonomen Studiengebühren entschieden. (c) med-uni innsbruck
Die VetMed kehrte wieder zur alten Gebührenregelung zurück. Die jährlichen Einnahmen von 224.000 Euro aus den Studiengebühren sollen in die Lehre fließen. Ein Teil der Einnahmen soll außerdem in einen Sozialfonds für besondere Härtefälle fließen. (c) Vet-Med Wien
Auch die Uni Linz hat sich für die Einhebung von Studiengebühren nach alter Regelung entschieden: Demnach heißt es für Langzeitstudenten und Drittstaatenangehörige ab Herbst wieder zahlen. (c) APA (JKU JOHANNES KEPLER UNIVERSITAET)
(c) APA
Acht Unis heben Gelder ein
Befürchtungen nicht unberechtigt
Ein Vertrauen, das die Studierendenvertreter nicht teilen: „Zuerst versichert der Minister den Studierenden stets, dass die Gebühren die Grenze von 500 Euro nicht übersteigen werden. Und als hätte es diese Aussage nie gegeben, ebnet er jetzt den Weg für das Einführen von Gebühren in beliebiger Höhe“, so Martin Schott. Seine Befürchtung: Bei Budgetengpässen wären die „rechtswidrigen“ autonomen Studiengebühren eine der ersten Schrauben, an denen gedreht werden könne. „Natürlich auf Kosten der Studierenden. Sind Gebühren einmal in beliebiger Höhe einhebbar, sind ständige Erhöhungen programmiert.“
Schott verweist auf einen internationalen Präzedenzfall: An englischen Unis habe sich der Betrag, auf den man sich im Jahr 2006 geeinigt habe, mittlerweile auf 9000 Pfund (rund 10.300 Euro) verdreifacht. Die staatlichen Mittel werden parallel dazu zurückgefahren. „Dass derartige Szenarien für Österreich auch bald Realität werden könnten, ist durchaus anzunehmen“, so Schott.
Dass hierzulande ähnlich hohe Gebühren eingehoben werden, erscheint derzeit zwar mehr als unwahrscheinlich – und wird auch von allen Uni-Rektoren bestritten. Dennoch ist die Angst vor laufenden Erhöhungen nicht ganz unberechtigt.
Für das nächste Semester haben sich die Rektoren zwar (noch) freiwillig darauf verständigt, lediglich die bisherige Regelung wieder einzuführen – und die Studiengebühren in Höhe von 363,36 Euro lediglich von Langzeitstudenten und Nicht-EU-Bürgern einzuheben. Bereits jetzt lässt so mancher Uni-Chef aber durchklingen, dass er sich damit nicht auf Dauer zufriedengebe: Sobald der VfGH die Studiengebühren als rechtmäßig absegnet und die Gefahr von Massenklagen gebannt ist, wolle man „nachschärfen“, heißt es an mancher Uni. Von 500 bis 1000 Euro pro Semester ist die Rede.
Parallel wächst auch unter den Rektoren der Ärger über den Minister: Viele wollen die Bürde der autonomen Einhebung nicht tragen – und wünschen sich eine für alle verbindliche, politische Einigung der Koalition. Die ÖH formuliert es schärfer: „Gesetzesreparaturen und Rechtssicherheit scheinen keine Rolle mehr zu spielen. Die Stillstandspolitik Töchterles führt das Autonomieprinzip ad absurdum und ist im Grunde eine systematische Verneinung der eigenen Verantwortung“, sagt Martin Schott.
Töchterle will gesetzliche Lösung
Der Minister selbst relativiert am Sonntag im Gespräch mit der „Presse“: Ihm liege viel an einer gesetzlichen Lösung. Nicht umsonst habe er bereits im September ein eigenes Studienbeitragsmodell vorgelegt. „Ich halte es für erstrebenswert, eine Höchstgrenze von 500 Euro und zahlreiche soziale Maßnahmen festzuschreiben“, so Töchterle. Etwa die Möglichkeit zur Stundung der Gebühr sowie den Ausbau der Studienförderung. Töchterles Modell scheitert derzeit am Widerstand der SPÖ.
Die Studentenvertreter der ÖH gehen jedenfalls weiter auf Konfrontation: Sollte der Minister weiterhin so vorgehen, „blüht ihm ein düsterer, protestreicher Frühling“.