„Perverser“ Anschlag vereitelt: Modell „Unterhosenbomber“

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Geheimdienste spürten Selbstmordattentäter aus dem Jemen auf. Schreckensszenario ist „Körperbomber“: Attentäter mit implantierter Bombe. Der Attentatsplan sei bereits im Frühstadium aufgedeckt worden.

Washington. Die al-Qaida sei dezimiert und entscheidend geschwächt, die Sicherheitslage habe sich dadurch deutlich verbessert, es gab nicht einmal einen aktuellen Terroralarm: Von Präsident Barack Obama abwärts zog die US-Regierung zum Jahrestag des Todes Osama bin Ladens vor einer Woche eine durchwegs positive Bilanz. Zur gleichen Zeit baten indessen die Sicherheitsbehörden die Nachrichtenagentur AP, einen Bericht noch ein paar Tage zurückzuhalten, der zumindest in Teilen das Gegenteil insinuiert.

Sollten, so die offizielle Darstellung, die Ermittlungen nicht torpediert werden? Oder sollte die Öffentlichkeit nicht aufgeschreckt und die „Jubelfeiern“ nicht gestört werden? Ein neuer „Unterhosenbomber“ auf dem Weg in die USA, mit raffinierterer Sprengstofftechnik versehen und noch schwerer zu entdecken – das hätte schlecht ins Bild gepasst, fügt sich aber in ein Terrorszenario, das derzeit die US-Sicherheitsdienste umtreibt. Demnach gehen Experten davon aus, dass Selbstmordattentäter die Sicherheitskontrollen womöglich mit in den Körper implantierten Bomben austricksen und sich an Bord in die Luft jagen könnten. Metalldetektoren und Körperscanner würden eventuell versagen.

Diesmal hat die CIA in Kooperation mit anderen Geheimdiensten jedoch noch rechtzeitig zugeschlagen. Der Attentatsplan sei bereits im Frühstadium aufgedeckt worden, es habe kein Anlass für eine akute Gefahr bestanden, versicherte das Heimatschutzministerium in Washington. Der mutmaßliche Attentäter habe weder ein genaues Ziel gehabt geschweige denn ein Flugticket, heißt es. Über die Umstände seiner Ergreifung wollte das Ministerium indes keine Details bekannt geben. Zu denken gibt den Sicherheitsbehörden, dass die Bombe offenbar kein Metall enthalten habe.

Operationsbasis Jemen

Sicher scheint nur, dass das Bombenmaterial aus dem Jemen herausgeschmuggelt worden ist. Als Drahtzieher des Anschlags gilt Ibrahim al-Asiri. Der notorische Bombenbastler hat durch mehrere Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Er stattete seinen Bruder als menschliche Sprengfalle aus, die dieser 2009 mit seinem Leben büßte. Sein Ziel, der saudische Geheimdienstchef, entging dabei nur knapp dem Tod. Ein Jahr später versteckte al-Asiri Sprengsätze in Druckerpatronen, die eine Frachtmaschine auf dem Weg nach Chicago zur Detonation bringen sollte.

Sein „Meisterstück“ sollte freilich ein Anschlag am Weihnachtstag 2009 werden. Trotz Warnungen seines Vaters hatte der Nigerianer Umar Faruk Abdulmutallab, vulgo „Unterhosenbomber“, in Amsterdam einen Linienflug in die USA bestiegen. Als er beim Landeanflug auf Detroit den Sprengmechanismus in Gang setzen wollte, schlug der Versuch fehl. Stattdessen stieg Rauch auf. Passagiere überwältigten den Mann, der in den USA inzwischen zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist.

Spätestens seither haben die USA die wuchernde al-Qaida-Zelle im Jemen verstärkt ins Visier genommen. Vom Südzipfel der Arabischen Halbinsel, wo sie ihre Operationsbasis beständig ausbaut und Trainingscamps errichtet haben, gehe momentan die größte Terrorgefahr aus, lautet der Tenor der US-Geheimdienste. Das US-Militär intensivierte seine Drohnenangriffe. Im Vorjahr wurde Anwar al-Awlaki getötet, ein islamistischer Prediger und spiritueller al-Qaida-Führer mit US-Pass – und erst jüngst brachte eine Drohnenattacke einen der Drahtzieher des Terroranschlags gegen das US-Kriegsschiff USS Cole im Jahr 2000 zur Strecke.

Außenministerin Hillary Clinton erklärte: „Der Attentatsversuch zeigt, dass die al-Qaida zu immer perverseren Mitteln greift.“ Bruce Riedel, ein ehemaliger CIA-Agent, warnte: „Wir dürfen nicht erwarten, dass wir immer einen Schritt voraus sein werden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2012)

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