Chaos im Gericht: Küssel-Prozess geplatzt

(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
  • Drucken

Weil zu wenig geladene Geschworene kamen, konnte die Verhandlung gegen Gottfried Küssel wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung am Montag nicht stattfinden. Die Prozessorganisation war mangelhaft.

Wien. Wie muss ein im Fokus der Öffentlichkeit stehender Strafprozess organisiert sein, damit Tumulte beim Betreten des Gerichtssaals ausbleiben? Und warum kommen von angeblich 22 geladenen Geschworenen nur sieben? Fragen wie diese warten seit Montag, seit dem Platzen des Küssel-Prozesses, auf Antworten.
Montagfrüh im Straflandesgericht Wien: Der Start der Verhandlung gegen die Leitfigur der Rechtsextremenszene, Gottfried Küssel (53), wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verzögert sich. Vor dem Saal 106 drängt sich eine Menschenmenge aus Angehörigen, Sympathisanten, Prozesskiebitzen, Journalisten, Fotografen und Kameraleuten.



Das Gericht (Senatsvorsitzende: Martina Krainz) gewährt dem Vertreter der Anklage, Hans-Peter Kronawetter, exklusiven Zutritt in den Gerichtssaal. Als die Verteidigung, vertreten durch Anwalt Michael Dohr, den Saal betreten will, wird die Tür von innen zugehalten, dann zugesperrt. Als Küssel selbst – ihm wird das Einrichten der Neonazi-Homepage „alpen-donau.info“ vorgeworfen – von der Justizwache vorgeführt wird, ist auch für diesen Pulk an der verschlossenen Saaltür Endstation. Die Gruppe muss den Rückzug antreten, später wird Küssel, ebenso wie die beiden Mitbeschuldigten B. (34) und A. (40), durch einen Nebeneingang in den Saal geschleust.

Von 22 geladenen Geschworenen seien nicht weniger als 15 Personen – großteils unentschuldigt – einfach ausgeblieben. Dies erfährt die Öffentlichkeit schließlich von der Richterin – nach halbstündiger Verspätung. So ist die mit sieben Laienrichtern besetzte Geschworenenbank nicht ausreichend besetzt. Acht Personen sind vorgeschrieben (22 wurden geladen, um genug „Reserve“ zu haben).

Drohgebärde eines Beamten

Der Grund für den Geschworenenschwund bleibt vorerst rätselhaft. Ebenso wie die Tatsache, dass beim Öffnen der Saaltür ein Mann in Zivilkleidung (dem Vernehmen nach ein Beamter des Verfassungsschutzes) die wartenden Prozessbeobachter unüberhörbar mit diesen Worten in Empfang nimmt: „Der Erste, der mich anrempelt, geht als Letzter rein.“ Nächster Prozessanlauf: 21. Mai.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.