Alles über Klimt: Das Wien-Museum zeigt seine Sammlung

Alles ueber Klimt WienMuseum
Alles ueber Klimt WienMuseum(c) Wien Museum (HERTHA HURNAUS)
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Erstmals zeigt das Wien-Museum alles, was es von Klimt hat – die zahlenmäßig „weltgrößte“ Klimt-Sammlung. Bedeutender wird sie durch diese Präsentation nicht werden.

Einen Faun nannte Arthur Schnitzler ihn. Und tatsächlich muss Gustav Klimt eine archaische Erotik versprüht haben: In seiner blauen, wehenden Malerkutte, mit seinem Stiernacken, seinem lockigen Haar und spitzen Bart, seinem einfältigen Blick, seinem Ruhm und dem Atelier voller nackter Frauen (angeblich). Eines seiner großbürgerlichen Modelle sprach später sogar von einer „animalischen“ Ausstrahlung, der sie sich bei den Porträtsitzungen fast nicht zu entziehen vermochte.

Verständnisvoll nickt man also im Wien-Museum die allgemein bekannten historischen Fotos ab, die hier eine Wand füllen. Klimt hat sich zwar selbst nie porträtiert, sagte kokett, an ihm sei nichts „extra interessant“. Für eine Reihe berühmter Fotografen und Fotografinnen warf er sich aber sehr wohl in Pose. Im Garten. Mit Katze. Mit Emilie Flöge beim Rudern über den Attersee. Immer in diesem schrägen Malerkittel, der ihn wie einen Hippie-Priester aussehen ließ.

Da hängt er nun endlich, leibhaftig. Mit ausgebreiteten Ärmeln in einer Vitrine, gleich am Beginn der Sonderausstellung des Wien-Museums zum Klimt-Jahr. Nur ein einziger der markanten Kittel ist erhalten, das Wien-Museum bekam ihn 1964 vom Wiener Maler Otto Trubel geschenkt. Er ist heute neben der Totenmaske des Malers der zweite Klimt-Fetisch, der seinen Weg in die städtische Sammlung gefunden hat – und auch wieder heraus, der Abguss der rechten Hand Klimts ist leider unauffindbar.

Und man hat genau gesucht, schließlich wollte man erstmals „alles“ zeigen, was man im Wien-Museum von Klimt besitzt – die „weltgrößte Klimt-Sammlung“. Im sicher mickrigsten Sonderausstellungsraum, den man weltweit wagen würde, dafür zu benutzen. So gesehen ist diese Präsentation eindrucksvoll gelungen. So viel Klimt geht in so wenig Raum. Das wundervolle, schlanke, stolze Porträt, das Klimt von seinem Lebensmenschen Emilie Flöge malte. Die historischen Fotos. Das köstliche Seitenblicke-Bild des Zuschauerraums des alten Burgtheaters, für das der junge Klimt 1888 toute Vienne en miniature porträtierte. Das Kampfbild der Secession, das Ölgemälde der Pallas Athene mit goldenem Helm und Brustpanzer, von dem aus eine Fratze dem Betrachter die Zunge zeigt. Nicht zu vergessen die über 400 Skizzen, Studien und eigenständigen Zeichnungen, die im Lauf der Jahre hier anfielen.

Zeichnungen bis an die Decke

Man hängte sie in Reihen übereinander bis zur Decke. Was sicher den unhierarchischen Fluss betont, in dem sie aus dem Vielzeichner einst strömten. Sehen tut man von den zarten Strichen aber wenig bis nichts. Dafür sieht man die fetten Nummern, die auf die Gläser geklebt wurden, um die einzelnen Arbeiten mittels Begleitblatt identifizieren zu können, umso mehr.

Das ist eine schwierige Ausstellung. Einerseits wünschte man ihr den Platz, den Klimt-Zeitgenosse Mihael Munkacsy gegenüber im Künstlerhaus genießt. Andererseits versteht man die Absicht, die Sammlung als kompakten „Block“ präsentieren zu wollen. Am Ende aber tut man den einzelnen Werken nichts Gutes, wenn man sie dem großen Eindruck unterordnet. Zumindest nicht den bedeutenden Arbeiten. Und es gibt auch ein Gros an Unbedeutendem.

Etwa die Materialisierung einer „Facebook“-Aktion, die man sich im Museum ausgedacht hat: Man forderte die Leute auf, das Schrecklichste von dem zu posten, was einem an Klimt-Merchandising unterkommt. Ein Schaukasten der Geschmacklosigkeiten steht bereits, ebenso unvermittelt, in der Klimt-Ausstellung im MAK. Und jetzt nimmt der Nippes auch im Wien-Museum kostbaren Raum weg. Die Dokumentation hätte man gut und gerne auch ins Foyer auslagern können. Samt Präsentation des Siegerobjekts von „Worst of Klimt“, einem automatischen Schmuckei, das in seinem Inneren Klimts „Kuss“-Paar preisgibt, das sich zu Elvis Presleys „I can't help falling in love“ dreht. Ein würdiger Gewinner. Wo aber bleibt die Ausstellung über Klimts Einfluss auf die zeitgenössische Kunst? Über Hermann Nitschs Malhemden und die großen zeitgenössischen Porträtisten des Bürgertums? Oder ist Klimts faunische Spur tatsächlich im Kitsch verschüttgegangen?

Bis 16.September, Di–So, 10–18Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2012)

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