Mehr als 10.000 Menschen sollen seit März 2011 in Syrien getötet worden sein. UN-Chef Ban Ki-moon vermutet: "Al-Qaida ist in Syrien am Werk". Terroristen könnten von Saudi-Arabien und Katar finanziert werden
Mit Blick auf Syrien und den Iran warnte Russland vor einer militärischen Intervention des Auslands. An einem gewissen Punkt könnten Handlungen, die die Souveränität eines Landes untergraben würden, zu einem voll ausgewachsenen regionalen Krieg führen, sagte Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew in St. Petersburg. "Ich möchte niemanden ängstigen, aber Atomwaffen könnten dabei eine Rolle spielen", warnte Medwedjew.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon versuchte indes den Grund für die nicht enden wollende Gewalt in Syrien ausfindig zu machen. Er vermutet, dass das Terrornetzwerk al-Qaida in die Revolte eingemischt hat. Nach seinen Worten sei die Extremistenorganisation für einen Doppelanschlag in Damaskus mit mindestens 55 Toten vor rund einer Woche verantwortlich. "Das schafft erneut ein sehr ernsthaftes Problem", sagte Ban am Donnerstag in New York. Zugleich hob er die UN-Schätzung für die Toten des seit März 2011 währenden Konflikts auf mindestens 10.000 an.
Über die Türkei eingeschleust?
Mit der Einschätzung des UN-Chefs zu al-Qaida dürfte sich die Regierung in Damaskus bestärkt fühlen. Das international weitgehend isolierte Syrien erklärt seit Monaten, aus dem Ausland finanzierte "Terroristen" würden hinter dem Aufstand stecken. Die Regierung verdächtigt besonders Saudi-Arabien und Katar der Unterstützung, die sich für eine Bewaffnung der Gegner von Präsident Bashar al-Assad stark machen. Sie hatte den Vereinten Nationen erst vor kurzem eine Liste mit 26 festgenommen Ausländern vorgelegt, die angeblich zum Kampf eingeschleust worden seien. 20 dieser Personen seien Mitglieder von al-Qaida und über die Türkei ins Land gelangt, erklärten die Behörden.
Die syrische Opposition hat am Freitag den Ausführungen des des UNO-Generalsekretärs und des Regimes widersprochen. Ein Vertreter des "Syrischen Nationalrates" (SNC) von Burhan Ghalioun sagte dem Nachrichtensender Al-Arabiya, die Anschläge seien von Terroristen verübt worden, die das Regime von Assad als "Reserve für schlechte Zeiten" in seinen Gefängnissen festgehalten habe.
In Syrien befinden sich knapp 260 unbewaffnete UN-Beobachter, die die Einhaltung eines Waffenstillstands überwachen sollen. Dieser gilt seit fünf Wochen, ist jedoch von beiden Seiten mehrfach gebrochen worden.
Seit mehr als einem Jahr demonstrieren Menschen in Syrien gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad. Die blutige Niederschlagung der Proteste und die Kämpfe zwischen Deserteuren und regulärer Armee sollen bisher mehr als 19.000 Menschen das Leben gekostet haben, rund 200.000 Syrer sind auf der Flucht. (c) EPA (STRINGER)
Zuletzt riefen die Rebellen zu einer landesweiten Offensive, alias Operatrion "Damaskus Vulkan und Erdbeben Syriens", gegen das Regime auf. Die Kämpfe konzentrieren sich dabei vorwiegend auf die zwei größten Städte des Landes: Damaskus und Aleppo. (c) EPA (STR)
Im Juli gelang den Rebellen ein schwerer Schlag gegen das Regime. Bei einem Anschlag auf ein Spitzentreffen von Ministern und Vertretern der Sicherheitskräfte starben der Verteidigungsminister Daoud Rajha und der Schwager Assads, Assef Shaukat, sowie ein weiterer ranghoher Genera. Sie zählten zu den wichtigsten Strategen des Regimes im Kampf gegen die Aufständischen. (c) REUTERS (SANA)
Im Mai sorgte ein Massaker in der Ortsschaft Houla für internationale Empörung. 100 Menschen wurden dabei getötet, etwa ein Drittel davon Kinder. Der britische UNO-Botschafter Mark Lyall Grant erklärte, syrische Artillerie und Panzer seien zweifelsfrei für das Massaker verantwortlich. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte das Massaker „mit den stärksten möglichen Worten“. Das Regime machte islamistische Terroristen verantwortlich. (c) AP
Aus Protest gegen das Massaker wiesen mehrere Staaten, darunter die USA, Frankreich und Deutschland, die syrischen Botschafter aus. Der Sicherheitsrat der UN kann sich aber weiterhin nicht auf eine gemeinsame Linie festlegen. Russland und China blockieren mit ihrem Veto ein schärferes Vorgehen gegen das Assad-Regime. (c) EPA (ANDY RAIN)
Begonnen haben die Proteste im Frühjahr 2011. Ermutigt von den Aufständen in anderen arabischen Ländern demonstrierten am 18. März in Damaskus und weiteren syrischen Städten tausende Menschen gegen das Regime. Bei Zusammenstößen mit der Polizei kam es zu den ersten Todesfällen. (c) AP
Seither gehen im ganzen Land regelmäßig Menschen gegen das Regime auf die Straße. (c) REUTERS (HANDOUT)
Assad nennt die Demonstranten Terroristen, die vom Ausland gesteuert werden. Er lässt die Proteste vom Militär niederschlagen. (c) REUTERS (KHALED AL-HARIRI)
Die Rebellen-Hochburg Homs wird immer wieder beschossen. Teile der Stadt liegen in Schutt und Asche. Auch Viertel der Hauptstadt Damaskus und der Handelsmetropole Aleppo werden von blutigen Gefechten erschüttert. (c) AP (Anonymous)
Deserteure haben im Sommer die "Freie Armee Syriens" (FSA) gegründet. Sie liefert sich immer wieder Gefechte mit der regulären Armee. (c) REUTERS (AHMED JADALLAH)
Die Deserteure agieren teilweise von Camps in der Türkei aus. Ihre Waffen bekommen sie angeblich aus dem Ausland, etwa der Türkei, Saudi-Arabien und Katar. Die genannten Staaten bestreiten dies. Die Truppen des Regimes setzten indes Hubschrauber, Panzer und Maschinengewehre im Kampf gegen die Aufständischen ein. Auch Gerüchte über den Einsatz von Chemiewaffen reißen nicht ab. (c) REUTERS (HANDOUT)
Die syrische Opposition hat im Ausland einen "Nationalrat" unter Vorsitz des in Paris lebenden Universitätsprofessors Burhan Ghalioun gegründet. (c) REUTERS (HANDOUT)
Das syrische Regime ist ein auf Militär und Sicherheitsapparat basierendes Einparteiensystem. In vielen Spitzenpositionen der Baath-Partei sitzen Personen mit engen verwandtschaftlichen Verbindungen zu dem 2000 verstorbenen Präsidenten und seinem seither regierenden Sohn Bashar. (c) EPA (YOUSSEF BADAWI)
Golfstaaten stellen das Geld, die USA tragen zur koordinierten Auslieferung von Waffen bei. Ein politische Lösung des Konflikts rückt in Ferne. Im kurdischen Osten Syriens droht Präsident al-Assad eine zweite Front.
Auch wenn nicht klar ist, ob islamistische Terroristen tatsächlich den blutigen Anschlag in der Vorwoche verübten. Es mehren sich die Hinweise, dass das Terrornetzwerk immer stärker bei den Kämpfen in Syrien mitmischt.