Pasok-Chef Evangelos Venizelos will seine gebeutelte Partei neu gründen. Parallel dazu versucht er, den linken Wählerschichten entgegenzukommen, die die Spar- und Reformmaßnahmen ablehnen.
Athen/C. g. Noch 2009 war sie eine Kleinpartei an der Vierprozentschwelle, doch drei Wochen vor der zweiten griechischen Parlamentswahl binnen 42 Tagen ist das linksradikale Bündnis Syriza auf einem beispiellosen Höhenflug: Eine aktuelle Umfrage vom Donnerstag gibt ihr 30 Prozent der Stimmen, das sind noch einmal 13 Prozent mehr als beim ersten Wahlversuch am 6. Mai. Damit käme erstmals keine der zwei traditionellen einstigen Großparteien auf Platz eins, sondern Syriza.
Die Konservativen liegen laut den Meinungsforschern mit 26 Prozent nur auf Platz zwei. Beide Parteien haben zuletzt auf Kosten der übrigen Konkurrenten zugelegt: Syriza mit ihren Antisparparolen, die Konservativen als Garanten der „Stabilität“ und der Einhaltung der Kreditverträge mit den internationalen Gläubigern.
Abgeschlagen an dritter Stelle liegt mit 15,5 Prozent die sozialistische Pasok. Für sie ist es schon eine gute Nachricht, dass sie sich nach dem vernichtenden Ergebnis vom 6. Mai (13,2 Prozent) stabilisieren und leicht zulegen konnte. Doch die Partei muss nun bis 17. Juni, dem Termin für die Wiederholungwahlen, einen Zweifrontenkrieg führen. Einerseits gegen die Nea Dimokratia im Zentrum, andererseits gegen Syriza am linken Rand. Die Verluste, vor allem an Syriza, waren dramatisch: Die Pasok verlor im Vergleich zu 2009, als sie mit 44 Prozent der Stimmen siegte, mehr als zwei Millionen Wähler. Nicht weniger als 37 Prozent der Syriza-Wähler am 6. Mai stammten aus dem Pasok-Lager. Eine neue große Linkspartei unter Alexis Tsipras scheint im Entstehen – die Pasok aber muss um ihre Identität als Sammelpartei der Mitte-links-Wähler fürchten.
„Eine verfaulte Partei“
Im ersten Schock der Niederlage verkündete Parteichef Evangelos Venizelos, die Pasok sei eine „verfaulte Partei“, und löste zentrale politische Organe auf. Er sprach von einer Neugründung unter einem „37-jährigen Parteiführer“. Das war eine Anspielung auf den jugendlichen, unverbrauchten Alexis Tsipras von Syriza, der vor allem junge Wähler ansprach.
Venizelos selbst ist eher das Gegenbeispiel: Der beleibte Verfassungsrechtler war ab 1993 in sämtlichen Pasok-Regierungen und ist für viele ein Teil des Problems. Zuletzt verhandelte er 2011 als Finanzminister das zweite Sparpaket mit den Gläubigern aus. So ist denn auch seine Position nach der schweren Niederlage bei den Wahlen alles andere als gesichert. Venizelos hatte erst im März 2012 Giorgos Papandreou als Parteichef abgelöst und einen einfallslosen, stark auf seine Person zugeschnittenen Wahlkampf geführt.
PR-Coup bei Hollande in Paris
Doch die Abrechnung mit der Vergangenheit – und mit Venizelos – musste vertagt werden. Die gescheiterte Regierungsbildung machte die Neuwahlen nötig, und die marode Partei muss wieder in die Wahlschlacht ziehen. Eilig stoppte Venizelos die Auflösung der lokalen Parteistrukturen. Parallel dazu versucht er, den linken Wählerschichten entgegenzukommen, die die Spar- und Reformmaßnahmen im Gefolge der Kreditverträge mit den Gläubigern ablehnen. Er stellte ein Sechspunkteprogramm zur „Neuverhandlung“ vor, das er bereits Frankreichs neuem sozialistischen Präsidenten François Hollande in Paris persönlich präsentierte. Das Treffen war ein wichtiger medialer Erfolg. In Griechenland setzt man große Hoffnungen in die „Wachstumsagenda“ Hollandes. Ein Treffen mit Syriza-Chef Tsipras hat dieser übrigens abgelehnt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2012)