"Monopoly" oder die Bank als Wohltäter

Monopoly Spiel Stadt Glueck
Monopoly Spiel Stadt Glueck(c) EPA (Gero Breloer)
  • Drucken

Das Spiel "Monopoly" gilt als Übungsfeld für Raubtierkapitalisten. Dabei bietet es auch "gleiche Chancen für alle". Ein Buch klärt auf.

Es ist eines der erfolgreichsten Gesellschaftsspiele aller Zeiten: Monopoly. Über 275 Millionen Stück in 43 verschiedenen Länderausgaben sind bisher verkauft worden. Das Spiel gilt als Symbol des Raubtier-Kapitalismus: Gewinner ist, wer seine Gegner in den Ruin treibt. Der Kunsthistoriker Andreas Tönnesmann hat das Brettspiel unter die Lupe genommen und räumt in seinem Buch "Monopoly: Das Spiel, die Stadt und das Glück" mit einigen Mythen auf.

So verfolgt die Bank bei Monopoly keine Gewinnabsichten. Sie sei nicht das raffgierige Unternehmen, als das sie in Zeiten der Bankenkrise erscheint, sagt Tönnesmann im Interview mit dem Schweizer "Tagesanzeiger". "Sie ist quasi der Staat, der in Gestalt von Regeln beschränkend eingreift", so der Autor. "Die Bank ist eine wohltätige Einrichtung, nicht auf Mehrung des eigenen Kapitals bedacht, sondern auf das Wohlergehen aller. Damit steht sie völlig quer zu den leidvollen Erfahrungen, die amerikanische Privatleute während der großen Depression mit ihren Bankhäusern durchgemacht hatten", schreibt Tönnesmann dazu im Buch.

Ur-Monopoly entstand bereits 1904

Einblick gewährt Tönnesmann aber auch in die Entstehungsgeschichte des Spiels. Demnach erhielt Heizungsbauer und Nebenbei-Spieleerfinder Charles B. Darrow aus Germantown im US-Staat Pennsylvania 1935 das Urheberrecht für Monopoly, obwohl er das Spiel eigentlich gar nicht selbst erfunden hatte. Denn das Ur-Monopoly ging auf die Quäkerin Elizabeth Maggie Phillips zurück, die 1904 ihr "Landlord's Game" patentieren ließ - als erstes Brettspiel überhaupt.

(c) Verlag Klaus Wagenbach
(c) Verlag Klaus Wagenbach(c) Verlag Klaus Wagenbach

Phillips bezog sich auf den Ökonomen Henry George, der mit einer "Single Tax" ausschließlich den Besitz von Land besteuern wollte, um Steuern auf Kapital, Arbeit und Produktivvermögen überflüssig zu machen. Seine Großstadt-Kritik wird jeder Monopoly-Spieler sofort wiedererkennen: "Es gibt Baugrundstücke, bei denen der Besitzer aus jedem Fuß der Straßenfront mehr Gewinn zieht als ein durchschnittlicher Handwerker verdienen könnte."

Erst der Plagiator macht Geld

Eine erwähnenswerte Auflage erreichte das "Landlord's Game" nie. Die Spielidee lebte aber vor allem in akademischen Kreisen weiter. Studenten von Scott Nearing, der mit ihnen in Philadelphia Finanzspiele übte, sollen als erste den Namen "Monopoly" geprägt haben. Der Ökonom Roy Edmund Stryker, einer der einflussreichsten Mitarbeiter von Franklin D. Roosevelt schuf 1927 erstmals die Möglichkeit, durch Bebauung die Rendite zu erhöhen.

Was Darrow an Parker Brothers verkaufte, war keine eigene Erfindung, sondern mehr oder weniger kopiert. "Von der Grundidee des Spiels bis zu den Regeln, von der Geometrie bis zum Gefängnis, von den Straßennamen bis zu den Häusern - all das war in der kurzen, aber lebhaften Tradition der amerikanischen Finanzspiele seit etwa 30 Jahren vorgebildet, als Darrow sein Produkt an Parker Brothers verkaufte", schreibt Tönnesmann.

"52 schwerwiegende Fehler"

Spielzeughersteller Parker Brothers, der später damit reich wurde, wollte "Monopoly" ursprünglich nicht kaufen. In einem Absagebrief listete George Parker "52 schwerwiegende Fehler" auf. Es dauere zu lange, habe kein klares Ziel und appelliere an niedrige Instinkte. Im Weihnachtsgeschäft 1934 gelang Darrow aber ein erster Durchbruch. Der "Wanamaker's Department Store", vielleicht der Luxus-Tempel seiner Zeit, nahm das Spiel ins Sortiment auf. Darrow musste eine Neuauflage produzieren. Monopoly schaffte es schließlich bis nach New York in die Regale des exklusiven Spielwarenhändlers F.A.O. Schwarz. Dann gelang Darrow der große Coup: Er verkaufte sein Spiel nicht gegen eine Einmalzahlung, sondern auf Provisionsbasis. Binnen kürzester Zeit wurde er zum Millionär.

DKT - der österreichische Weg

Erste österreichische Monopoly-Versionen - ohne Lizenz - gab ab 1936 unter Titeln wie "Business" und "Spekulation". Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland wurden sie unter dem Titel "Das kaufmännische Talent" (DKT) zusammengefasst. Das Spielbrett war weniger nüchtern als Monopoly gestaltet und mit idyllischen und nostalgischen Stadtbildern versehen.

So umging man die Zensur, weil die Nazis Monopoly bereits 1936 verboten - möglicherweise wegen des angeblich "jüdisch-spekulativen Charakters" des Spiels. Historisch klar belegt ist das allerdings nicht.

Darrow hatte als Erster verstanden, worum es ging: Monopoly war nicht nur ein Spiel, sondern ein Produkt, das serienmäßig verkauft werden konnte.

Gewinner muss rücksichtslos sein

Das ist aber nur ein Geheimnis der Erfolges. Monopoly unterscheidet sich in einem Punkt wesentlich von seinen Vorgängern. Das Spiel ist erst beendet, "wenn - der Name sagt es - ein Spieler das Monopol errungen, das heißt alle Vermögenswerte gewonnen hat, die außerhalb der Bank im Umlauf sind". Der Gewinner muss also rücksichtslos agieren, um alle Mitspieler nach und nach in den Ruin treiben zu können. "Damit bestätigte Monopoly zur Zeit seiner Erfindung die Gesetze einer durch und durch negativ besetzten ökonomischen Wirklichkeit", so der Autor.

Beachtlich ist aber auch, dass Monopoly zugleich auch ein Gegenentwurf zur wirtschaftlichen Wirklichkeit der Depressionsjahre ist. Denn den Spielern wird "eine scheinbare Freiheit des ökonomischen Handelns eingeräumt, die in der aktuellen Krise tatsächlich niemand mehr besaß".

"Ökonomischer Dualismus"

Monopoly muss auch im Kontext der Zeit verstanden werden, in der das Spiel auf den Markt gebracht wurde. Laut Tönnesmann unterliegt es einem "ökonomischen Dualismus". Einerseits verkörpert die Bank, wie bereits erwähnt, eine Art Über-Institution. Sie wird zur "leitenden Instanz, ja zur konzentrierten Analogie des Staates, der die Geschicke Monopolys lenkt". Das entspricht dem Glauben an einen interventionistischen Staat. Eine konsequente spielerische Umsetzung hätte aber zwangsläufig in endlosen Spielverläufen gemündet.

Andererseits wurde daher "der Wucher, die unmoralische Preistreiberei und Gewinnmaximierung in das Spielsystem zwingend eingedacht". Denn es sind "immer die grotesk in die Höhe getriebenen Mieten, an denen sich in Monopoly Gewinner und Verlierer scheiden". Und wem fallen da nicht die fünf Worte "Rücke vor bis zur Schlossallee" der deutschen Ausgabe ein, die viele Monopoly-Spiele entschieden haben. Denn nirgendwo sind die Wuchermieten so hoch wie an dieser Adresse.

"Gleiche Chancen für alle"

Bei Monopoly gibt es laut Tönnesmann zwei Grundbedingungen für den reibungslosen Spielablauf als auch für die ökonomische Funktionsweise der fiktiven Spiel-Stadt: "Gleiche Chancen für alle auf der einen, die Freiheit, was man daraus macht, auf der anderen Seite." Wagemut und Optimismus führen zum Erfolg. Das lag in Zeiten der Großen Depression durchaus nicht im Mainstream, zeigt aber die Nähe zum New Deal von US-Präsident Franklin D. Roosevelt.

Aus heutiger Sicht besonders beeindruckend ist, welch außerordentliche Bedeutung der Immobilienwirtschaft zugedacht wird. Monopoly erteile jeder kollektivistischen Besitzvorstellung eine klare Absage, schreibt der Autor. Kein politisches Prinzip dürfe das Recht auf individuellen Grundbesitz in Frage stellen. "Ich hätte nie gedacht, dass Immobilien wieder so wichtig werden könnten. In den 80er-Jahren traute man ja vor allem den Aktienkursen", sagt dazu Tönnesmann im "Tagesanzeiger"-Interview.

Literaturtipp:  Andreas Tönnesmann: Monopoly. Das Spiel, die Stadt und das Glück"


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.