Von Ungarn verlangt die Europäischen Union eine politisch unabhängige Notenbank. Das Land müsse sich an die EU-Regeln halten. Dabei ist in Österreich der Regierungseinfluss viel höher.
Wien. Ideologisch liegen zwischen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Ungarns konservativen Regierungschef Viktor Orbán Welten. Doch beide versuchen alles, um ihren Einfluss auf die jeweiligen Notenbanken geltend zu machen. Bei Orbáns Vorstoß regte sich halb Europa auf. Bei Faymann dagegen halten sich die Proteste in Grenzen. Dabei greift Österreichs Regierung deutlich stärker in die Personalpolitik der Notenbank ein als die ungarische. Auf Druck der Europäischen Union ist das osteuropäische Land nun bereit, das Notenbankgesetz zu ändern.
Ein Sprecher von Orbáns Regierungspartei Fidesz sagte am Dienstag, die Novelle könnte „innerhalb der nächsten zwei Wochen“ verabschiedet werden. Um die Finanzkrise zu bewältigen, braucht Österreichs Nachbarland von der EU und vom Internationalen Währungsfonds Unterstützung in Milliardenhöhe. Doch das Geld soll erst fließen, wenn Orbán die Unabhängigkeit der Notenbank garantiert.
Ungarns Regierung wollte aus Kostengründen die Finanzaufsicht und die Notenbank zusammenlegen. Bankchef Andreas Simor sollte außerdem einen mächtigen Stellvertreter bekommen. Dieser wäre von der Regierung ernannt worden. Zudem sollte das Parlament Vertreter für einige Notenbankgremien nominieren. Orbáns Zugriff auf das Institut sorgte für eine Flut an Protesten.
In der Nationalbank teilen Rot und Schwarz seit Jahrzehnten alle wichtigen Posten untereinander auf. Dabei gilt die Regel: Stellt die ÖVP den Finanzminister, steht der SPÖ der Chefposten in der OeNB zu – und umgekehrt.Direktorium (Bild): Ewald Nowotny, Peter Zöllner ("rot"); Wolfgang Duchatczek, Andreas Ittner ("schwarz"). Präsident: Claus Raidl ("schwarz"); Vizepräsident: Max Kothbauer ("rot") (c) APA (HERBERT NEUBAUER)
Um ihre Macht noch vor der Nationalratswahl 2013 abzusichern, wollen SP und VP im Herbst über die Neubestellung des vierköpfigen Vorstands entscheiden. An der bisherigen Praxis, dass SPÖ und ÖVP jeweils zwei Vertrauensleute in das Führungsgremium schicken, soll sich nichts ändern. Auch im Generalrat der OeNB, der wie ein Aufsichtsrat arbeitet, regiert der politische Proporz: Hat der Nationalbank-Chef ein rotes Parteibuch, können die Schwarzen den Präsidenten des Generalrats nominieren. Ihm steht ein roter Vize zur Seite. (Im Bild: Ewald Nowotny) (c) Dapd (Hans Punz)
Der vakante Postens am Verfassungsgerichtshof soll mit Gabriele Kucsko-Stadlmayer (Bild) nachbesetzt werden. Sie wurde von der SPÖ unterstützt, ihr Vorgänger Peter Oberndorfer einst von der ÖVP. Die ÖVP soll aber eine 8:6-„Mehrheit“ behalten und den nächsten freien Posten mit Markus Achatz (Uni Linz) besetzen dürfen. (c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
Präsident am VfGH ist mit Gerhart Holzinger (Bild) ein von der ÖVP nominierter Richter. Der CV-er machte aber einst als Jurist im roten Kanzleramt Karriere. Auch Vizepräsidentin Brigitte Bierlein sitzt auf einem schwarzen Ticket, ebenso wie die Richter Christoph Herbst, Hans Georg Ruppe, Eleonore Berchtold-Ostermann, Helmut Hörtenhuber, Georg Lienbacher und Christoph Grabenwarter. Von der SPÖ nominiert wurden Rudolf Müller, Claudia Kahr, Johannes Schnizer, Michael Holoubek und Sieglinde Gahleitner. (c) Clemens Fabry
Die Finanzmarktaufsicht ist gemeinsam mit der Nationalbank für die Prüfung der Banken zuständig. Einer der beiden Vorstände wird vom Finanzministerium nominiert, der andere von der Nationalbank. Dabei wird stets darauf geachtet, dass jeweils ein „Roter“ und ein „Schwarzer“ zum Zug kommen. Derzeit besteht der Vorstand aus Kurt Pribil ("schwarz", im Bild) und Helmut Ettl ("rot"). (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Daneben gibt es noch die ÖIAG-Tochter Fimbag. Diese verwaltet das Staatsgeld, das im Zuge der Finanzkrise an die Banken vergeben wurde. Den Vorstand der Fimbag bilden Klaus Liebscher (ÖVP, im Bild) und Adolf Wala (SPÖ). Auch der Aufsichtsrat ist streng nach dem politischen Proporz besetzt. An der Spitze des Gremiums sitzt Stephan Koren (ÖVP), sein Stellvertreter ist Hannes Androsch (SPÖ). Der Einfluss der Regierungsparteien geht bis in den Aufsichtsrat der verstaatlichten Hypo Alpe Adria und der Österreichischen Volksbanken AG (ÖVAG), in denen jeweils zwei SPÖ- und ÖVP-Vertreter sitzen. (c) APA (Herbert Pfarrhofer)
Dass auch im ORF Posten politisch besetzt werden, ist ein offenes Geheimnis. Im Stiftungsrat, der ORF-General Alexander Wrabetz (SPÖ; im Billd) bestellt hat, dominiert die SPÖ mit 15 von 35 Sitzen. Vorsitzende ist Brigitte Kulovits-Rupp (sie gehört zum SPÖ-„Freundeskreis“), Stellvertreter ist Franz Medwenitsch (er leitet den ÖVP-„Freundeskreis“: zwölf Sitze). (c) AP (RONALD ZAK)
SPÖ und ÖVP teilen sich die Direktorenposten: Richard Grasl (ÖVP; im Bild), Michael Götzhaber (SPÖ), Karl Amon (SPÖ), nur Kathrin Zechner gilt als unabhängig. Bei der Auswahl der Landesdirektoren reden die Landeshauptleute entscheidend mit. Die politische Farbenlehre im ORF reicht weit bis in die zweite und dritte Managementebene. Drei Beispiele: Online-Chef Thomas Prantner gilt als Signal an Blau und Orange, Chefredakteur Fritz Dittlbacher war ein Wunsch der SPÖ, Radio-Chefredakteur Hannes Aigelsreiter hingegen stand auf der Wunschliste der ÖVP. (c) APA/ROBERT JAEGER (ROBERT JAEGER)
In der Autobahn- und SchnellstraßenfinanzierungsAG herrscht eine strenge Aufteilung. Unter SP-Verkehrsminister Werner Faymann wurde 2007 der dreiköpfige Vorstand mit großzügigen Abfindungen in Höhe von in Summe zwei Mio. Euro an die Luft gesetzt – ein „Roter“, ein „Schwarzer“, ein „Blauer“. Ihnen folgte ein zweiköpfiger Vorstand nach – ein „Roter“ (Alois Schedl, im Bild) und ein „Schwarzer“ (Klaus Schierhackl). Schedl war Sekretär von SPÖ-Bautenminister Karl Sekanina. (c) APA/ANDREAS PESSENLEHNER (ANDREAS PESSENLEHNER)
Die Verträge der beiden laufen im Herbst dieses Jahres aus. Schierhackls (Bild) Posten wurde ausgeschrieben. ÖVP-intern soll man bereits einen Nachfolger haben, sollte er in Richtung ÖBB abwandern: Es könnte Johannes Hörl werden, derzeit Chef der Großglockner-Hochalpenstraßen AG und einst Sekretär von Salzburgs ÖVP-Landeshauptmann Franz Schausberger. (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Generaldirektor: Christian Kern ("rot", im Bild). Finanzdirektor: Josef Halbmayr ("schwarz"). Vorstand: Franz Seiser ("rot"). Bis auf Finanzvorstand Halbmayr sind die Bundesbahnen tiefrot. Nicht nur beim Management, sondern auch im Aufsichtsrat. Das liegt daran, dass die ÖVP im Frühjahr 2010 sämtliche ihr nahestehenden Aufsichtsräte aus dem Kontrollgremium abziehen ließ – man wolle und könne die ÖBB-Politik nicht mehr mittragen, hieß es offiziell. In Wahrheit hatte sich die ÖVP darüber geärgert, dass sämtliche Vorstandspositionen in ÖBB-Tochtergesellschaften von SP-nahen Managern besetzt wurden. (c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
Mittlerweile herrscht leichtes Tauwetter: Der ehemalige Chef der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Ludwig Scharinger, zieht in den ÖBB-Aufsichtsrat ein. Ein „Schwarzer“, klarerweise. Ein ÖVP-naher Manager könnte auch in eine ÖBB-Tochtergesellschaft einziehen: Asfinag-Vorstand Klaus Schierhackl, dessen Vertrag im September ausläuft.(Im Bild: Josef Halbmayr) (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
Wie sich SPÖ und ÖVP die Jobs aufteilen
Wer verletzt hier EU-Rechte?
In Budapest gingen tausende Menschen auf die Straßen. Die EU-Kommission stellte das osteuropäische Land an den Pranger. Ungarn müsse sich an alle EU-Regeln halten und die Unabhängigkeit der Zentralbank gewährleisten, verlangte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso. Auch US-Außenministerin Hillary Clinton schaltete sich in den Streit ein. Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (ein deutscher Sozialdemokrat), sah in Ungarn rechtsstaatliche Prinzipien gefährdet.
In Österreich ist die Notenbank vom Gesetz her unabhängig. Doch alle relevanten Posten werden von den beiden Regierungsparteien vergeben. Im Notenbank-Vorstand sitzen jeweils zwei SPÖ- und ÖVP-Vertreter. Ihre Verträge laufen im Sommer 2013 aus. Da aber im nächsten Jahr gewählt wird, wollen SPÖ und ÖVP die Neubestellungen noch heuer fixieren. In der SPÖ hat Notenbank-Chef Ewald Nowotny (früher SPÖ-Finanzsprecher) Konkurrenz. Unbestätigten Gerüchten zufolge soll Kanzler Werner Faymann die frühere EZB-Direktorin Gertrude Tumpel-Gugerell (die Frau von Arbeiterkammer-Chef Herbert Tumpel) favorisieren, weil Nowotny nicht mehr ganz auf SPÖ-Linie ist. Nicht nur im Vorstand, sondern auch im Generalrat, der wie ein Aufsichtsrat fungiert, geben ÖVP- und SPÖ-Vertreter den Ton an.