Jahrelang Spekulationen um Natascha

Seit acht Jahren wucherten die Spekulationen: Mord, Organhandel, Kinderpornoring?

Wien. Es war der 2. März 1998, als sich die zehnjährige Natascha Kampusch um 7.15 Uhr von ihrer Mutter verabschiedete. Ein kurzer Blick zurück in den Hof der Rennbahnwegsiedlung, ein ebenso kurzes Winken, Natascha sollte einen Förderkurs in der Schule besuchen. Zuvor hatte es "dicke Luft" daheim gegeben, weil die Mutter sie so spät geweckt hatte.

Und von da an war Natascha verschwunden. Spurlos. Eine Schulfreundin will gesehen haben, wie sie von "Unbekannten" in einen Kleinbus gezerrt wurde.

Die größte Suchaktion

Was folgte, ging in die Geschichte der Wiener Polizei als die größte Suchaktion aller Zeiten ein. Zweitausend Personen wurden überprüft, alle verfügbaren Kräfte des Wiener Sicherheitsbüros herangezogen; 100 Kriminalbeamte und 500 Polizisten suchten die Gegend rund um die Rennbahnwegsiedlung in der Donaustadt ab; 50 Mann von Spezialeinheiten tauchten die Ziegelteiche in der Tatortnähe ab, Diensthunde waren ebenso selbstverständlich eingesetzt, wie auch die niederösterreichische Gendarmerie "Amtshilfe" leistete. Die überprüfte die Alibis von verdächtigen Männern im Umland um Wien.

Der ganze Aufwand war umsonst. Natascha blieb einfach verschwunden. Da halfen auch Hubschrauber des Bundesheeres nichts. Die verzweifelte Mutter Brigitta Sirny setzte alle Hebel in Bewegung, wollte einfach nicht glauben, dass die Tochter umgebracht worden sei.

Doch je mehr Zeit verging, desto üppiger wucherten die Spekulationen: Das kleine Mädchen sei in die Hände von Organhändlern geraten, vermutete man; nein, sie sei entführt und an einen Kinderpornoring vermittelt worden. Und die Mutter selbst machte einmal eine höchst merkwürdige Andeutung: Ihre Tochter sei vor ihrem Verschwinden einmal in Ungarn in einem Nachtlokal mit Go-Go-Girls gewesen ...
Private Ermittler boten sich an, etwa der frühere Grün-Politiker Martin Wabl. Der Bezirksrichter wollte auf eigene Faust Grabungen vornehmen, wurde festgenommen, später sogar verurteilt.

Der Wiener Berufsdetektiv Walter Pöchhacker, der sich seit Nataschas Verschwinden intensiv mit dem Fall befasst und sogar ein Buch darüber geschrieben hat, drängte die Staatsanwaltschaft wiederum so dringlich, bis im März 2003 nochmals ein Schotterteich abgesucht wurde, in dem der österreichische "Columbo" die Leiche Nataschas vermutete. Und - da es ohnedies nicht zu beweisen war - erläuterte der Detektiv auch gleich seine Mordtheorie: Eine "Beziehungstat" sei der Kindermord gewesen, "sie geschah im Affekt", so Pöchhacker.

Detektiv hielt Theorie aufrecht

Als am gestern, Mittwoch, erste Meldungen über das Auftauchen von Natascha kursierten, zeigte sich der Detektiv am Mittwoch noch skeptisch: "Ich bin nach wie vor überzeugt, dass meine Recherchen stimmen." Doch da waren die Theorien des Detektivs bereits von der Realität widerlegt worden.

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