Befangenheit: Wenn Richter Tiere schützen

(c) Fabry
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Fünf der in Wiener Neustadt freigesprochenen Tierschützer müssen noch einmal vor Gericht. Kaum ein Richter kann oder will sich aber noch einmal das sprichwörtliche „Kappel" aufsetzen.

Längst gilt das - nobel formuliert - holprig abgewickelte Wiener Neustädter Tierschützerverfahren als kleines Stückchen Justizgeschichte, an das sich die Justiz selbst am liebsten gar nicht mehr erinnern will. Mit Verdrängung allein dürfte es aber nicht getan sein. Es gab zwar (Mai 2011 war das) durchwegs glatte Freisprüche vom viel kritisierten Mafia-Vorwurf („Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation"). Aber: Fünf der ursprünglich zwölf Angeklagten müssen wegen kleinerer Delikte wie Nötigung oder Sachbeschädigung noch einmal vor den Richter. Ihre Freisprüche waren nämlich in eben diesen Punkten aufgehoben worden. Nur: Kaum ein Richter kann oder will sich noch einmal das sprichwörtliche „Kappel" aufsetzen.

Schon klar, es ist nun einmal der Job; man kann sich seine Prozesse nicht aussuchen. Doch da gibt es, wenn es denn sein muss, schon noch einen Ausweg. Selten beschritten, nun, im Tierschützer-Verfahren, aber geradezu ausgelatscht: Als Richter kann man erklären, befangen zu sein. Oder man zeigt an, dass zumindest der Anschein der Befangenheit gegeben sein könnte.

Nicht weniger als 9 (in Worten: neun) Richter des 36 Richterplanstellen innehabenden Wiener Neustädter Landesgerichts haben eben dies getan. Und wurden erhört. Die Begründungen sind bemerkenswert. So meinte eine Richterin, sie könne den Tierschützerprozess nicht führen, da sie Tierschützerin sei.

Und: Sie habe seinerzeit als Richteramtsanwärterin der ursprünglichen Richterin Sonja Arleth zugearbeitet. (Arleths Freisprüche hielten eben nur zum Teil, sie selbst wurde ein paar Monate nach dem Prozess als Rechtsschutzrichterin eingeteilt und leitete somit keine Verhandlungen mehr.) Zurück in die Gegenwart: Als Arleths Helferin sei sie „durch intensive Diskussion des Akteninhalts mit diesem befasst gewesen", gab die indes selbst zur Richterin gereifte Juristin nun bekannt. So steht es in jenem Beschluss, der nun die neun Befangenheiten festschreibt.

Also: Wer mit der Richterin über den Akt diskutiert, könnte befangen sein (Anschein genügt). Hat insofern schon damals eine befangene Richteramtsanwärterin mit der Richterin diskutiert? Man wird es nie erfahren. Dafür verrät der erwähnte Beschluss einen weiteren interessanten Grund, warum jemand den neuen Tierschützerprozess nicht leiten möchte: „Aufgrund der [. . .] veröffentlichten Berichterstattung." Ein Beispiel, das bei medienwirksamen Verfahren Schule machen könnte.

Eine Richterin, die früher Staatsanwältin war und als solche gegen einen der nunmehrigen Angeklagten ermittelte, brachte eben diesen Umstand vor. Und: Der Staatsanwalt im Tierschützerverfahren sei „wiederholt persönlich angefeindet" worden. Daher erachte sie sich nicht als unparteiisch.

Die Mehrheit der neun nun als befangen eingestuften Richter gab an, schon einmal in irgendeiner Form (etwa seinerzeit als U-Richter) in das Tierschützer-Ermittlungsverfahren involviert gewesen zu sein.
Und nun? Ja, da ist jemand, der unparteiisch ist. Und laut Verfahrensverzeichnis zum Zug kommt: Richter Erich Csarmann vom Landesgericht Wiener Neustadt. Er wird vom Oberlandesgericht Wien mit Vorschusslorbeeren bedacht. Man sagt dort über ihn: „Ein junger Kollege mit ausgezeichnetem Ruf." Justitias Wege sind manchmal - holprig.

E-Mails: manfred.seeh@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 5. Oktober 2013)

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