Gastkommentar

Alois Mock als „Anwalt“ der bedrängten Völker

Die Vorreiterrolle des Außenministers im Jugoslawien-Konflikt.

Als die internen Spannungen im Vielvölkerstaat Jugoslawien Mitte der 1980er-Jahre anschwollen, wurde das Zusammenleben der verschiedenen ethnischen Gemeinschaften immer schwieriger. Während vor allem Slowenen, Kroaten und Kosovoalbaner sich zur Demokratie sowie zu einem pluralistischen politischen System bekannten und sich für eine Reform auf Bundesebene aussprachen, strebten die Serben nach einer Führungsrolle, und ihre Ambitionen richteten sich auf eine Zentralisierung Jugoslawiens unter ihrer Herrschaft.

Der am Donnerstag verstorbene Alois Mock war eine der wenigen europäischen Persönlichkeiten, die die unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Bestrebungen der Volksgruppen Jugoslawiens und den wachsenden serbischen Nationalismus erkannt hatten. Er positionierte sich international als „Anwalt“ für die bedrängten Völker Jugoslawiens. Seine klare politische Haltung im Jugoslawien-Konflikt kann als das Mock'sche außenpolitische Prinzip bezeichnet werden.

Als erste Aufgabe in seiner Funktion als „Anwalt“ widmete er sich der Kosovo-Frage. Als am 27. Juni 1989 Mock und sein ungarischer Kollege, Gyula Horn, den Eisernen Vorhang zwischen Ungarn und Österreich durchtrennten – ein Symbol der Erfolgsgeschichte der europäischen Werte und der Vereinigung –, hielt Slobodan Milošević nur einen Tag später die berüchtigte Amselfeld-Rede vom 28. Juni im Kosovo. Der Inhalt dieser Rede stellte genau das Gegenteil der europäischen Werte dar.

Thematisierte Kosovo-Frage

Die Internationalisierung der Kosovo-Frage ist nur durch wenige Namen geprägt, Mock aber nimmt ohne Zweifel einen besonderen Platz ein. Seine Bestrebungen, die Kosovo-Frage in verschiedenen regionalen, europäischen und internationalen Gremien zum Thema zu machen, waren ein wichtiger Bestandteil seiner Außenpolitik. Als Reaktion auf die serbischen Repressionsmaßnahmen gegen die mehrheitlich albanischstämmige Bevölkerung im Kosovo setzte er im August 1990 die erste Stufe des KSZE-Mechanismus (heute OSZE) der menschlichen Dimension gegen Jugoslawien in Gang, im März 1991 auch die zweite Stufe.

Türöffner für Kosovoalbaner

Mock war auch der erste Außenpolitiker, der im Mai 1991 der UNO und der EG die Entsendung von Friedenstruppen nach Jugoslawien vorschlug, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Und er war der erste europäische Außenminister, der politische Führer des Kosovo im Außenministerium in Wien empfing. Nach Mock begannen auch andere westliche Staatskanzleien, die Türen für die politischen Vertreter des Kosovo zu öffnen. Wien war damit eine der ersten und wichtigsten Auslandsstationen für den Kosovo.

Die historischen Erfahrungen Österreichs waren für Mock besonders lehrreich. Österreich dürfe keine neutrale Position einnehmen, wenn es um die Verletzung der Menschenrechte gehe. Die damals bedrängten Völker Jugoslawiens sind jetzt freie Völker Europas und haben alle Möglichkeiten in den Händen, um aus der Erfahrung ihrer Geschichte zu lernen.

Ohne Frieden auf dem Balkan wird ganz Europa keine Ruhe finden. Für die Noch-nicht-Mitgliedstaaten sind die Integration in die EU und die Achtung der europäischen Werte ein Muss. Dies ist auch die Voraussetzung für Frieden und die Quelle der Stabilität. Oder wie Alois Mock es ausdrückte: „Entweder wir tun es, oder die anderen tun es – aber anders!“

Faruk Ajeti ist Zweiter Sekretär in der
Botschaft der Republik Kosovo in Österreich. Er arbeitet derzeit an seiner Dissertation über die österreichische Kosovo-Politik am Institut für Politikwissenschaft an der
Universität Wien. Diesen Beitrag hat er
als Privatperson verfasst.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2017)

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