Forschung

Sepp Hochreiter: Der späte Durchbruch einer zündenden Idee

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Kaum ein internationaler IT- oder Automobilkonzern kommt an Sepp Hochreiter von der Uni Linz vorbei, wenn er künstliche Intelligenz vorantreiben will.

Manchmal muss die Zeit erst reif sein für eine Entwicklung. Als Sepp Hochreiter in den 1990er-Jahren die in seiner Diplomarbeit entwickelten Konzepte präsentierte, interessierten sie zunächst niemanden. „Sie wurden übersehen oder vielleicht auch nicht verstanden“, sagt der Leiter des Instituts für Machine Learning der Uni Linz. Heute sieht er das mit Humor: Vor zwei Jahren feierte er den 20. Jahrestag der Ablehnung seines „Long Short Term Memory“ (LSTM), eines dem Gehirn nachempfundenen Speichersystems, das auch über einen längeren Zeitraum nicht vergisst. Denn erst als die Rechner vor rund zehn Jahren immer schneller und die Datenmengen größer wurden, besann sich die Wissenschaft wieder auf die Möglichkeiten des neuronalen Lernens für Maschinen. LSTM entwickelte sich rasch zur international gefragten Methode für Sprach- und Textverarbeitung. „Das Apple iPhone, Google Android und Alexa nutzen es“, so Hochreiter.

Die Liste seiner Projektpartner liest sich wie das Who's who der weltweit führenden IT- und Automobilkonzerne. Lädt er zu einer Konferenz, kommen die Chefs von Google. Mit Facebook ist er ebenfalls in gutem Kontakt. „Die Leute von Elon Musk rufen mich auch immer wieder an“, erzählt er. „Das ist der von Tesla.“ Für Audi leitet er – ebenfalls an der Uni Linz – das Audi.JKU Deep Learning Center: Dort soll quasi das Gehirn für selbstfahrende Autos entstehen. Mit Amazon und Zalando kooperiert er, um die Algorithmen zu verbessern, mit denen die Preise gestaltet und die Lagerlogistik optimiert werden sollen. Große Pharmakonzerne arbeiten mit ihm zusammen, weil sich mit seinen Methoden der Erfolg von Medikamenten sehr gut voraussagen, Tierversuche teilweise ersetzen lassen.

Dabei sollte der heute 51-Jährige eigentlich den elterlichen Bauernhof in der Nähe von Mühldorf am Inn in Bayern übernehmen, wo man zunächst Milchkühe, später Mastbullen hielt. Doch er habe sich schon immer mehr für Schach und Bücher interessiert, erzählt Hochreiter. Weil er eine Realschule besuchte, durfte er nicht bei der Mathematikolympiade mitmachen, dafür half er seinen Freunden bei der Vorbereitung. An der FH München, wo er Informatik inskribierte, erledigte er alle Aufgaben mit links. Man empfahl ihm, an die TU zu wechseln. Dort fühlte er sich ebenfalls nicht gefordert. „Es gab zu viel Textbuchwissen. Nur ein Praktikum zu neuronalen Netzen gegen Ende des Studiums war spannend, weil es dort viele ungelöste Probleme gab.“ Sein späteres Steckenpferd war gefunden, nebenbei studierte er noch Mathematik an der Fernuni Hagen. Nach beruflichen Stationen in den USA und Deutschland wurde Hochreiter 2006 an die Uni Linz berufen. Dort atmete man im vergangenen Jahr auf, als er ein besonders attraktives Berufungsangebot ausschlug. Er baut nun am 2015 begründeten Linz Institute of Technology das Labor für Artificial Intelligence auf.
Ausgleich findet der Vater von drei Kindern beim Radfahren an der Donau oder beim Schwammerlnsuchen im Mühlviertel. Und wenn er Zeit hat, schaut er sich gern ein Spiel des FC Bayern München an. (gral)


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