Wie man (vielleicht) Popstar wird

Falco - Wiener Blut
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Wird es je einen zweiten Falco geben? Wir wissen es nicht. Aber wir wissen eines: Bescheidenheit hilft sicher nicht an die Spitze. Elf Tipps für Anwärter auf Popweltruhm.

Keine Profi-Ausbildung. Man kann in Kursen weder lernen, was Punk auszeichnet, noch was die Seele von Psychedelic ist. Und „richtig“ zu singen oder virtuos Gitarre zu spielen, war nie wesentlich für gute Popmusik. Dass Ausbildung im Konservatorium meist für gepflegte Langeweile sorgt, lehrt uns die Geschichte des Jazz der letzten 20 Jahre. Also, es gilt weiterhin: Drei Akkorde (oder halt auch mehr) lernen, dann Band gründen.

Keine Talentwettbewerbe. Haben die Beatles bei der „Liverpoolian Youngsters Competition“ mitgemacht? Black Sabbath bei der „Heavy Metal Battle“? Falco beim „Popodrom“? Solchen Veranstaltungen weicht man am besten großräumig aus. Castingshows à la „Starmania“ gehen eher. Wenn man dort nicht peinlich wirkt – was schwer genug ist – und sich von Typen wie Sido oder Dieter Bohlen nicht unterkriegen lässt, hat man schon einen großen Coolness-Test bestanden.

Nicht am Nachmittag bei Festivals spielen. Wenn die Sonne aufs Gelände von Frequency, Nova Rock oder sonst einem überbordenden Großfestival brennt, sollen andere unter dem Signet „Ferner liefen“ auf der Bühne schwitzen. Es ist sinnlos, sich vor Menschen zu produzieren, die entweder unter dem Rausch des Vortags leiden oder gerade beginnen, sich einen neuen anzutrinken. Da kann man nur eingehen. Und wird vom Publikum bestenfalls mit Kopfweh assoziiert.

Keine (falsche) Bescheidenheit. Es ist keine Ehre für eine Wiener Band, in Berlin zu spielen. (Auch nicht in Hamburg. Nicht einmal in London.) Es ist eine Ehre für Berlin, wenn eine Wiener Band dort spielt. Oder eine burgenländische. Ja, Panik haben das so gesehen und waren schnell in Berlin-Neukölln angesehen. Eben nicht nur geduldet.

Sich nicht immer beim Publikum bedanken. Einem regelmäßigen Besucher von Clubkonzerten fällt auf: Die jungen Bands werden immer devoter. Vor einiger Zeit hörte man im Chelsea einen Sänger mit leiser Stimme fragen, ob denn vielleicht eine Zugabe erwünscht sei... Das kommt gar nicht gut. Eine gewisse Arroganz ist angebracht. Man macht auch keinen Soundcheck vor dem Publikum. Wer vor dem Konzert im bereits gefüllten Saal die Gitarren stimmt und/oder die Effektgeräte durchprobiert, ist wie ein Zauberer, der seine Tricks öffentlich einstudiert. Peinlich. Und man spielt immer besser zehn Minuten zu kurz als zehn Minuten zu lang, nach dem Krautfleckerl-Rezept der Tante Jolesch: „Weil ich nie genug gemacht hab...“

Sich nicht für seine Herkunft schämen.
Nein, man muss, wenn man aus Fürstenfeld kommt, kein Lied darüber schreiben. Aber es kann nicht schaden. Überhaupt: Geografie! Was Popsongs aus England und den USA u.a. auszeichnet, ist, dass in ihnen konkrete englische und amerikanische Orte genannt werden. In österreichischen Songs dürfen, sollen österreichische Orte vorkommen. Scheibbs statt Nebraska! Wolfgang Ambros hat das gewusst, der Ostbahn-Kurti hat das gelebt, der Nino aus Wien weiß das.

Nicht nach Seattle 1995 klingen. Auch nicht nach Montreal 2005. Lieber noch nach Wien 1975. Oder nach Ljubljana 1985. Retro zu sein ist längst keine Schande mehr, sondern unausweichlich. Aber man muss Nischen suchen, in denen nicht schon alles abgegrast ist.


Kein perfektes Englisch! Egal, ob man texanischen Akzent oder Cockney-Slang einübt, Zuhörer aus Texas oder der Londoner Vorstadt werden die Mimikry sofort erkennen. Für alle anderen klingt es unangenehm aufgesetzt. Und das Monopol auf schöne deutsche Fremdwörter wie „Wanderlust“ sollte man nicht den Wild Beasts oder dem alten Mick Jagger überlassen.

Nicht über Ö3 jammern.
Ja, wir wissen es, und das seit gut zwei Jahrzehnten: Das staatliche Tagesbegleitradio bringt zu wenig Pop aus Österreich. Na und? Wer will freiwillig den Soundtrack der Frisiersalons und Drogerien dieses Landes liefern?

Keine „PR-Arbeit“ bei Journalisten.
Von Ja, Panik hat nie jemand in der „Presse“ angerufen und untertänig gefragt, ob und wann ein Artikel erscheint. Gustav hat sich nie in der Redaktion gemeldet. Soap & Skin auch nicht. Die muss man um ein Interview anbetteln. Trotzdem sind große Artikel erschienen. Interessant ist, wer sich rar macht oder gar verweigert. Darum sind lancierte Kampagnen meist kontraproduktiv. Und auch diverse Musikförderungsinstitute können bestenfalls Infrastruktur zur Verfügung stellen.

Nicht auf Ratschläge hören.
Wer das jetzt alles gelesen hat und sich nicht gedacht hat, dass er/sie es besser weiß, weiß es nicht besser. Und das disqualifiziert ihn/sie eigentlich für das Berufsbild Popstar.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2014)

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