Europas Ärger mit dem Dollar

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Die EU müsse ein eigenes Zahlungssystem aufbauen, ihr Erdöl in Euro zahlen und Eurobonds auflegen, um sich aus der „einseitigen Abhängigkeit“ von der US-Währung zu befreien, fordert Notenbank-Chef Ewald Nowotny.

Alpbach. Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny brauchte in Alpbach nur wenige Worte, um auf den Punkt zu bringen, warum es seit Monaten in Europas Regierungen und Zentralbanken gärt: „Die USA sind heute eines der substanziellsten Risken für die Weltwirtschaft.“ Und das nicht nur, weil US-Präsident Donald Trump einen Handelsstreit nach dem anderen vom Zaun bricht. Auch die Dreistigkeit, mit der die Vereinigten Staaten derzeit die Dominanz der Weltwährung Dollar ausnützen, bereitet Wirtschaftsvertretern in der EU zunehmend Kopfzerbrechen.

Die Folgen der fatalen Abhängigkeit sind an fast allen ökonomischen Krisenherden der Welt sichtbar. Gut beobachten lässt sich das etwa am Beispiel Iran: Obwohl sich Brüssel vehement gegen die Wiedereinführung der amerikanischen Sanktionen gegen Teheran gestellt hat, sehen sich europäische Unternehmen dennoch gezwungen, ihre Geschäfte mit dem Land einzustellen. Sie wissen: Ohne Sanktus der USA fließt kein Cent in den oder aus dem Iran. Und selbst wenn es dafür eine Lösung gäbe, wären sie auch im Großteil der restlichen Welt immer noch vom Zugang zu den US-Kapitalmärkten abhängig.

„Europa hat es nicht geschafft, sich den US-Sanktionen im Iran zu entziehen“, sagt Nowotny. Das ärgert nicht nur Volkswirte, sondern auch die politische Elite im Kontinent. So forderte der deutsche Außenminister, Heiko Maas, erst kürzlich den Aufbau eines eigenständigen internationalen Zahlungssystems in Europa, um vom dominierenden US-System Swift unabhängiger zu werden.

Handelswährung Nummer eins

Aus der Sicht von Ewald Nowotny könne das aber nur ein erster Baustein sein. Denn die Macht des Dollar hängt nicht (nur) an der Monopolstellung der Amerikaner im globalen Zahlungssystem. Problematisch ist auch die Tatsache, dass ein Großteil aller Waren weltweit in Dollar gehandelt wird – und das auch dann, wenn weder Käufer noch Verkäufer aus den USA stammen. Das bringt vor allem Schwellenländer regelmäßig in Bedrängnis, wie aktuell der Fall Türkei zeigt. 60 Prozent der Importe in die Türkei sind in Dollar fakturiert, obwohl nur sieben Prozent der Waren aus den USA stammen. Entsprechend hoch sind die Dollarschulden im Land. Und entsprechend erdrückend ist auch die Zinslast, wenn der Dollar – wie gerade jetzt – im Wert steigt.

Der Dollar ist auch weiterhin jenes Zahlungsmittel, das sich die Staaten weltweit mit Abstand am liebsten als Fremdwährungsreserve in die Tresore legen. Einzig als globales Zahlungsmittel kommt der Euro seinem Konkurrenten aus Übersee langsam näher (siehe Grafik). Mehr als ein Drittel aller Swift-Zahlungen wurden 2017 bereits in Euro durchgeführt. Überall ist der Dollar anscheinend uneinholbar voran.

Dieses Dilemma sei kurzfristig nicht zu lösen, sagt Nowotny. Erst müssten die ökonomischen Grundlagen geschaffen werden, um sich aus der faktischen Abhängigkeit lösen zu können.

Dollarmacht kein Naturgesetz

Ebenso wichtig wie der Aufbau eines eigenen Zahlungssystems sei es daher, den Euro als weltweite Handelswährung zu stärken. Heute wird beinahe der gesamte Rohstoffhandel in Dollar abgewickelt. In vielen Staaten wie etwa China gibt es allerdings massive Bestrebungen, Rohstoffe in eigener Währung zu bezahlen. Auch Europa müsse anstreben, sein Erdöl in Euro zu bezahlen, so der Nationalbankchef. Mit dem Iran gab es eine entsprechende Vereinbarung bereits, mit Russland sei man in intensiven Gesprächen, sagt Nowotny zur „Presse“. Die großen Lieferanten im arabischen Raum kommen der EU bisher allerdings aus militärischer Verbundenheit mit den USA nicht entgegen.

Um den Euro auch als Fremdwährungsreserve zu einer ernsthaften Alternative zum Dollar zu machen, sei es zudem notwendig, dass die EU gemeinsame europäische Staatsanleihen (Eurobonds) auflegt, ist die Oesterreichische Nationalbank überzeugt.

Eine schnelle Revolution im Gefüge der Weltwährungen sei allerdings unrealistisch. Die Finanzverflechtung mit dem Dollar sei so stark, dass sich niemand der Macht des Dollar entziehen könne, betont der Notenbank-Gouverneur. Ein Naturgesetz ist das aber nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2018)

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