Ein Seminar als "Revolution von innen"

Philipp Naderer/ European Forum Alpbach
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Weil es nicht genug Seminarplätze für alle Stipendiaten gab, organisiert sich eine junge Gruppe beim Europäischen Forum Alpbach selbst.

Ein Raunen geht durch die Menge, das Murmeln wird immer lauter. „This is ridiculous", ruft ein Spanier, der mit jeder Minute des Wartens unrunder und ausfallender wird. Die Situation droht zu eskalieren, die zwei Organisatoren sind ratlos. Plötzlich kommt Philippe Narval, Geschäftsführer des Forums, stellt sich auf den Tisch und dreht die Situation in wenigen Minuten um 180 Grad.

Rund 60 Stipendiaten konnten beim Europäischen Forum Alpbach am Donnerstag vergangene Woche keinem Seminar mehr zugeteilt werden. Denn einige Seminarleiter gaben kurzfristig bekannt, doch weniger Teilnehmer als ursprünglich geplant in ihre Gruppen aufzunehmen. Bei der Zuteilung warfen die Stipendiaten Zettelchen mit ihrem Namen in einen Topf für das jeweils gewünschte Seminar, dann wurden die Plätze Zufallsprinzip ausgelost. Doch plötzlich war das Kontingent ausgeschöpft und zig junge Leute verblieben ratlos ohne Seminarplatz. Der 26-jährige Julian Pekler war einer von ihnen und erzählt der „Presse", was dann geschah.

Die Gruppe der Rebellen

Narval, trat von hinten aus der Menge hervor und hielt eine „spontane und sehr mitreißende" Rede, wie Pekler erzählt. Hier in Alpbach gehe es darum, sich selbst zu organisieren. Schmollen oder das Beste daraus machen und den Geist von Alpbach leben - eine andere Möglichkeit gebe es nicht. Und so schlug Narval vor, nach den bestehenden 29 Seminaren ein dreißigstes, und zwar „das beste Seminar" zu gründen. Ganz spontan. Mehr wollte er zu diesem Zeitpunkt nicht verraten. Etwa die Hälfte der rund 60 Übriggebliebenen wollte sich nicht auf die Überraschung einlassen. Sie kamen dann doch noch irgendwo unter. Und jetzt, sagt Pekler, würden sie diejenigen beneiden, die sich wie auch er selbst auf Narvals Abenteuer eingelassen haben.

„Wir haben ein Seminar zum Thema Selbstorganisation selbst organisiert. Die anderen nennen uns jetzt 'die Gruppe der Rebellen', weil es das erste Seminar in dieser Form in der Geschichte des Forum Alpbach ist", sagt er nicht ohne Stolz. Mit seiner Führungsqualität habe Narval die Gruppe abgeholt. Wo es hingeht, sollen sie selbst bestimmen. Der Weg ist das Ziel.

Selbstfindung abgeschlossen

Die Selbstorganisierten sind nach Peklers Einschätzung zwischen 19 und 29 Jahren alt. Die Geschlechterquote sei ausgewogen. „Wir sind ein diverses Team. Die Kollegen kommen aus der ganzen Welt: Von Marocco über Spanien und Österreich bis Skandinavien", sagt Pekler. Heute, Sonntag, ist er als "Day Host" dafür verantwortlich, die Runde zu leiten.

Dafür sei viel Zusatzarbeit nötig, damit alles rund läuft. Einer seiner Kollegen, Konstantin Klug, hat diese Erfahrung gestern gemacht. „Die Gruppendynamik ist fantastisch. Ein sehr erhebendes Gefühl", fasst er zusammen. Jeden Tag übernehmen drei Personen die Rolle der „Day Hosts" und bereiten am Vorabend das Programm für alle vor. Weil es nicht die eine Führungsperson gibt, sondern abgewechselt wird, werde aus der Gruppe ein immer stärkeres Team. „Allein am Freitag wollten schon zwölf Seminarteilnehmer zu uns wechseln, aber wir haben nach langer Diskussion beschlossen, niemanden mehr aufzunehmen", erzählen Pekler und Klug, „denn wenn ständig jemand Neues dazustößt, können wir nicht das ganze Potenzial aus der Gruppe herausholen. Unsere Selbstfindung ist abgeschlossen."

Dann gibt es noch die „Harvester", eine permanent bestehende Kleingruppe, für die Dokumentation und Aufbereitung von Inhalten zuständig ist. Die „Finances" verwalten 300 Euro Budget, indem sie sich mit den „Day Hosts" absprechen und je nach Bedarf Material und Verpflegung besorgen.

"Best Of" Seminarprogramm

Vortragende von anderen Seminaren unterstützen die 25 Personen vom Selbstorganisationsseminar mit ihrem Wissen. Bei Übungen mit der Militärakademie zum Beispiel bekamen die Teilnehmer einen Crashkurs zum Thema Zielsetzung. „Das Ziel muss klar und möglichst einfach definiert sein. Und ganz wichtig ist, dass die Führungsperson für das Thema brennt! Egal, worum es geht", sagt Pekler. Heute, Sonntag, wanderte die Gruppe gemeinsam mit US-amerikanischen Wirtschaftsprofessor Jeffrey David Sachs zur Zotteralm.

Weil es so gut funktioniert, wird es das Seminar in dieser Form von nun an jedes Jahr geben. „Früher waren die Seminare eher Frontalvorträge, unseres ist handlungsorientiert", sagt Pekler. Denn es ist die Interaktion, die Alpbach ausmacht. „Heuer ist im Rahmen des Forums etwas ganz Neues entstanden. Wie eine Revolution von innen."

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