Wie ein Computer Flüchtlingen Jobs schaffen soll

APA/HERBERT NEUBAUER
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Ein Algorithmus soll Asylwerber nach Herkunft und Qualifikation in Bundesländern verteilen. Das könne die Arbeitsmarktchancen der Menschen um bis zu 70 Prozent erhöhen, sagen Forscher – und dem Staat Millionen ersparen.

Wien. Wo werden Asylwerber untergebracht? An der Peripherie in Massenunterkünften, in kleinen Einrichtungen im Stadtzentrum, in Privatwohnungen? Sollen sie Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten? Welche Tätigkeiten dürfen sie ausführen? Wie fördert der Staat die Integration von bereits anerkannten Flüchtlingen? Kaum ein Thema hat in den vergangenen Jahren EU-weit so polarisiert wie die Aufnahme von Flüchtlingen.

Ein Forscher-Team der Stanford Universität und der ETH Zürich hat sich dieser Fragen angenommen. Die Wissenschafter haben einen Algorithmus entwickelt, der die Arbeitsmarktchancen von Flüchtlingen erhöhen und ihre langfristige Integration sichern soll. Dazu analysierten die Forscher Daten aus den Vereinigten Staaten und der Schweiz. Für die USA nutzten sie Informationen über 30.000 Flüchtlinge im erwerbsfähigen Alter, die zwischen 2011 und 2016 über Resettlement-Programme in das Land gekommen waren. Für die Schweiz verwendeten sie Daten von mehr als 22.000 Asylwerbern, die zwischen 1999 und 2013 subsidiären Schutz erhalten hatten – in dieser Zeit die größte Gruppe von Asylwerbern.

Das Prinzip: Das Programm zieht zuerst Ausbildung, Alter, Herkunft, Geschlecht und Sprachkenntnisse in Betracht. Danach sucht es die Regionen, in denen die Nachfrage nach Arbeitskräften mit genau diesen Qualifikationen hoch ist. Der Algorithmus lernt selbstständig, welche Merkmalskombinationen der Flüchtlinge am besten zu welchen Unterkünften passen. Ein Beispiel: Zwei gleichaltrige Afghanen mit dem gleichen Bildungshintergrund werden in ihrem neuen Heimatland zwei unterschiedlichen Orten zugewiesen. Das nächste Mal, wenn ein Flüchtling mit ähnlichen Qualifikationen einreist, entscheidet das Programm aufgrund ihrer Erfahrungen und entsendet ihn in die passendere Region – etwa, wenn er Französisch spricht, in den französischen Teil der Schweiz.

Probe an der Realität

Mit dem digitalen Entscheidungsmechanismus steige die Wahrscheinlichkeit, dass ein Flüchtling in den USA Arbeit finde, um 41 Prozent. Für die Schweiz liege dieser Wert bei 73 Prozent, sagen die Forscher. Mit dem Asylalgorithmus finde jeder vierte statt nur jeder zehnte subsidiär Schutzberechtigte in der Schweiz innerhalb von drei Jahren einen Job, heißt es in der Studie.

„Flüchtlinge finden eher eine Arbeit, sie lernen die Sprache schneller, sie integrieren sich schneller in die Gesellschaft, und sie nehmen weniger Gesundheitsleistungen in Anspruch“, sagte Jens Hainmüller, einer der Verfasser der Studie, der BBC. So könne der Staat dutzende Millionen Euro einsparen. Der Algorithmus kann von den Behörden je nach Anforderungen angepasst werden und etwa auch Bundesländerquoten berücksichtigen. Doch noch relativieren die Wissenschaftler: Das Computerprogramm müsse erst an der Realität getestet werden. Die künstliche Intelligenz soll die Asylbeamten nicht ersetzen, sondern eine Ergänzung sein.

Modell auch für Österreich?

Der Einsatz von Algorithmen ist heikel: Die Entscheidungsprozesse, die ihnen zu Grunde liegen, sind nicht genau nachvollziehbar. Im Kern empfinden die Programme menschliches Verhalten nach – auch diskriminierendes. So verstärken Algorithmen die Benachteiligung von Bewerbern durch menschliche Arbeitgeber. Forscher fanden heraus, dass US-Arbeitgeber bevorzugt Bewerber mit inländisch klingenden Namen anstellten. Algorithmen schlossen daraus, dass die Ablehnung von Jobinteressenten mit „ausländischen“ Namen eine „gute“ Entscheidung sei.

Die Schweizer Regierung erachtet den Asyl-Algorithmus dennoch als vielversprechend. Man wolle das Modell prüfen. So wie in der Schweiz werden Asylwerber, für deren Überprüfung sich der Staat zuständig erklärt, in Österreich eher willkürlich verteilt. Erstens werden sie gemäß einer Quote, basierend auf der Bevölkerungszahl, in die Bundesländer entsandt. Zweitens entscheiden familiäre Gegebenheiten.

Beschäftigungschancen sind kein Kriterium. Vollen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten Asylwerber erst nach einem positiven Bescheid.
Und: Selbst wenn die Menschen während des Verfahrens in den Bundesländern wohnen – viele zieht es nach der Anerkennung des Flüchtlingsstatus nach Wien. Eine Einschätzung, ob der Algorithmus auch für Österreich sinnvoll wäre, wollten auf Anfrage der „Presse“ weder Sozial- noch Innenministerium geben.

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