Libanon: Hisbollah führt bei ersten Parlamentswahlen seit neun Jahren

Lebanese prime minister and candidate for the parliamentary election Saad al-Hariri shows his ink-stained finger after casting his vote during the parliamentary election in Beirut
Lebanese prime minister and candidate for the parliamentary election Saad al-Hariri shows his ink-stained finger after casting his vote during the parliamentary election in BeirutREUTERS
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Das neue Wahlsystem soll die Zweiteilung zwischen dem Lager der proiranischen Hisbollah und den Anhängern um den prosaudischen Ministerpräsident Hariri auflösen.

Bei der ersten Parlamentswahl in Libanon seit neun Jahren zeichnet sich ersten Ergebnissen zufolge eine Mehrheit für die radikal-islamische Hisbollah-Miliz und ihre Verbündeten ab.

Das Lager um die von Iran unterstützte und unter anderem von den USA als Terrorgruppe eingestufte Schiiten-Bewegung legt nach Berechnungen auf Grundlage der Angaben von Medien und Politikern vom Montag auf mindestens 67 der 128 Sitze zu. Sollte das Ergebnis sich bestätigen, dürfte es in den USA Besorgnis auslösen. Der Libanon enthält von der Regierung in Washington Militärhilfe und zudem weitere internationale Hilfen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise wegen des syrischen Bürgerkriegs.

Die Hisbollah unterstützt im Syrien-Krieg die Regierung von Präsident Bashar al-Assad und ist gestärkt aus dem Konflikt hervorgegangen. Zu ihren politischen Verbündeten im Libanon selbst gehört die christliche Freie Patriotische Bewegung von Staatspräsident Michel Aoun. Stärkste Einzelfraktion bei der Wahl dürfte trotz Verlusten die sunnitische Zukunftsbewegung des vom Westen unterstützten Ministerpräsident Saad al-Hariri, ein Sunnit, bleiben. Er steuert nach dem komplizierten Wahlrecht auf eine weitere Amtszeit zu. Die christliche Partei Libanesische Kräfte kann als Hisbollah-Gegnerin ihre Sitze wohl von acht auf 15 fast verdoppeln. Die Wahlbeteiligung sank auf 49,2 Prozent von 54 Prozent 2009.

Hoffnung auf mehr Stabilität

Genauere Angaben wurden im Laufe des Tages erwartet wie auch eine Stellungnahme von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah. In einer ersten Reaktion erklärte der israelische Bildungsminister Naftali Bennett, sein Land werde nicht zwischen der Hisbollah und dem Staat Libanon unterscheiden. "Hisbollah = Libanon", schrieb er auf Twitter.

Der Libanon gilt wegen seiner Mischung von Volksgruppen und Religionen, der Einflussnahme ausländischer Staaten und der großen Zahl von Flüchtlingen im Land als instabil. Die obersten Ämter sind gemäß der seit dem Ende des Bürgerkriegs (1975 bis 1990) geltenden Verfassung an bestimmte Religionszugehörigkeiten gebunden: Der Präsident muss maronitischer Christ sein, der Ministerpräsident ein Sunnit und der Parlamentspräsident ein Schiit. Die 128 Sitze im Parlament sind ebenfalls auf die religiösen Gemeinschaften aufgeteilt.

Größere politische Veränderungen wurden von der Wahl nicht erwartet. Allerdings könnten die zügige Bildung einer neuen Regierung und anschließende Reformen für neue Investitionen im Land sorgen und damit die Wirtschaft stabilisieren.

Insgesamt bewarben sich 597 Kandidaten auf 77 Wahllisten um die 128 Parlamentssitze. Bei der letzten Parlamentswahl 2009 hatte das prowestliche Lager von Hariri die Mehrheit der Stimmen geholt. Die Abgeordneten bestimmen den Ministerpräsidenten und entscheiden über die zentralen politischen Fragen des Landes. Überfällig sind wirtschaftliche Entscheidungen in einem Land, das unter täglichen Stromausfällen, Wasserknappheit und einem seit drei Jahren ungelösten Müllproblem leidet.

(APA/Reuters)

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