Rechtsruck: Slowenien könnte wie Italien und Österreich werden

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SLOVENIA-POLITICS-VOTE-ELECTIONAPA/AFP/JURE MAKOVEC
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Der Politikexperte Ali Zerdin erwartet bei der Slowenien-Wahl am Sonntag deutliche Zugewinne auf rechter Seite. Dabei wählt das Land traditionell mehrheitlich linksliberal.

Der Rechtstrend in Europa wird sich nach Erwartung des Politikexperten Ali Zerdin auch bei der slowenischen Parlamentswahl am Sonntag fortsetzen. Das traditionell mehrheitlich linksliberal wählende Land "wird sich dann nicht mehr sehr von Italien, Österreich oder Ungarn unterscheiden", sagte Zerdin der APA in Wien. "Möglich" sei auch eine rechts-populistische Koalition nach italienischem Vorbild.

Im Ringen um die Macht dürften die Wähler nicht das letzte Wort haben, erwartet der Chefredakteur der angesehenen Samstagsbeilage (Sobotna priloga) der Tageszeitung "Delo". Vielmehr würden die konservative Demokratische Partei (SDS) von Ex-Premier Janez Jansa, die derzeit in Umfragen führt, sowie das Mitte-Links-Lager versuchen, einzelne Abgeordnete der Anti-Establishment-Liste des Lokalpolitikers Marjan Sarec (LMS, derzeit an zweiter Stelle) zu ködern. "Die Linken und die SDS werden ihm die Stimmen abjagen. Ich sage voraus, dass sich diese Partei spalten wird."

LMS kommt bei Jungen gut an

Sarec kenne seine Kandidaten nämlich selbst nicht gut. Einige von ihnen stünden der SDS nahe, andere der liberalen Partei des modernen Zentrums (SMC) von Ministerpräsident Miro Cerar. Auch das Parteiprogramm der "Liste von Marjan Sarec" (LMS) sei "ein Sammelsurium von Ideen, die nicht wirklich zusammenpassen" und enthalte sowohl sozial-liberale als auch autoritäre Elemente, kritisierte der Experte. Sarec komme aber vor allem bei jüngeren Menschen an, "die seine klare Ausdrucksweise schätzen". "Wenn ich 18 Jahre alt wäre, würde ich ihn auch wählen", sagte Zerdin, der in diesem Zusammenhang die Schauspielausbildung des Ex-Politikerimitators hervorstrich. "Er hat fünf verschiedene Alter Egos. Es ist schwer zu sagen, wann er als Marjan Sarec spricht."

Die LMS-Abgeordneten werden "von zentraler Bedeutung dafür sein, wer die künftige Regierung bilden kann", betonte Zerdin mit Blick auf die erwarteten unklaren Mehrheitsverhältnisse. Umfragen deuten zwar auf einen Sieg von Jansas SDS hin, doch dürfte sie mit ihrem traditionellen Bündnispartner "Neues Slowenien" (NSi) deutlich von der absoluten Mehrheit entfernt bleiben. Sarec rechnet sich daher gute Chancen aus, als Zweitplatzierter mit den anderen Parteien eine Koalition eingehen zu können.

Ex-Premier Jansa mit Anti-Politiker Sarec?

Allerdings wird im Wahlkampffinish immer heftiger über eine mögliche Koalition des Anti-Politikers mit dem verkappten Rechtspopulisten Jansa spekuliert. "Es ist möglich", sagte Zerdin zu dieser Variante nach italienischem Vorbild, auch wenn Sarec entsprechende Spekulationen erst am Freitag heftig bestritten hat.

Jansas Chancen auf ein drittes Mandat als Ministerpräsident seien intakt. "Wenn er geschickt genug ist, wird er unser nächster Premier sein", sagte Zerdin. Dass sich der SDS-Chef im Wahlkampf an den ungarischen Premier Viktor Orban anlehnt, sieht der "Delo"-Journalist nicht als Risiko. "Orban ist vielleicht für ein Drittel der Slowenen ein negativer Typ", sagte er. Außerdem würde es für die slowenische Linke zum Bumerang, wenn sie Jansa wegen dessen Kontakten zu Orban kritisierte. "Schließlich hat auch Cerar Orban schon nach Slowenien eingeladen, um gemeinsam eine Bahnstrecke zu bauen."

Gelassen sieht Zerdin auch die von Jansa-Kritikern betonte Furcht vor einer "Orbanisierung" Sloweniens. "Ich kenne Jansa seit 30 Jahren. Als ich ihn kennengelernt habe, war er ein Leninist - und ich nicht", erzählt der langjährige Journalist. Jansa sei politisch ein "Eklektizist". "Er nimmt Ideen auf, verbindet und ändert sie. Einerseits ist er illiberal, aber sein Wirtschaftsprogramm ist neoliberal."

Wahlkampfthema Flüchtlinge - aber kaum Asylanträge

Ihren Wahlkampf habe die SDS ganz auf das Thema Flüchtlinge ausgerichtet, sagte Zerdin unter Verweis auf den Slogan "Wir werden Slowenien schützen". Dabei gebe es in Slowenien pro Jahr nur einige hundert Asylanträge, von denen die meisten ohnehin abgelehnt werden. "Der Großteil der Kampagne dreht sich um etwas, was praktisch keinen Einfluss auf das Leben der Slowenen hat. Nur ein kleiner Teil der Slowenen hat überhaupt schon einen Migranten gesehen", kritisierte der "Delo"-Journalist, der auf Einladung des "forum journalismus und medien wien" (fjum) und der EU-Vertretung zu einem Seminar nach Wien gekommen war.

Dem aktuellen Ministerpräsidenten Cerar, der vor vier Jahren einen Erdrutschsieg erzielt hatte, gibt Zerdin kaum Chancen auf einen Verbleib im Amt. Seine SMC werde zwar in den Umfragen unterbewertet, aber ein Wahlsieg sei "unmöglich". Er könnte höchstens zum Zug kommen, wenn er Sarec abfängt und Jansa keine Koalition bilden kann. Dass Cerar trotz der guten Wirtschaftsdaten aus dem Rennen ist, erklärt Zerdin unter anderem mit der Flüchtlingskrise. Cerar habe "harte Entscheidungen" getroffen und einen Stacheldrahtzaun an der kroatischen Grenze errichtet, doch bekomme er dafür keine Unterstützung von rechten Wählern. Der Hauptgrund sei aber die Politikerverdrossenheit in Slowenien. Während sich etwa Jansa auf seine treue Wählerbasis verlassen könne, "sucht ein Teil der slowenischen Wählerschaft die ganze Zeit neue Gesichter". Vor der Wahl 2014 sei Cerar ein solches neues Gesicht gewesen, "aber innerhalb von wenigen Monaten wurde er zum Politiker - und wir vertrauen Politikern nicht".

(APA)

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