Warnungen vor Facebook als „Waffe gegen die Demokratie“

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Symbolbild. (c) imago/Becker&Bredel (BeckerBredel)
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Das soziale Netzwerk musste wegen einer Kampagne zur US-Wahlmanipulation gefälschte Nutzerkonten schließen. Nun ist in Brüssel die Sorge vor einer Beeinflussung der Europawahl groß.

Menlo Park/Brüssel/Wien. 252 Millionen EU-Bürger sind Mitglied beim sozialen Netzwerk Facebook – das entspricht knapp der Hälfte der Gesamtbevölkerung der Europäischen Union. (Stand: Juni 2017). Die Nervosität vor einer Beeinflussung der Europawahlen im Mai kommenden Jahres ist also verständlich – besonders, seit Facebook selbst erst am Dienstag eine Kampagne zur Manipulation der US-Kongresswahlen aufgedeckt hat. EU-Sicherheitskommissar Julian King formulierte es in einem Interview mit Zeitungen der Funke Mediengruppe so: „Alle Mitgliedstaaten müssen die Bedrohung der demokratischen Prozesse und Institutionen durch Cyber-Angriffe und Desinformationen ernst nehmen und nationale Pläne zur Vorbeugung aufstellen.“ Die demokratischen Systeme dürften nicht untergraben und „als Waffe gegen uns“ eingesetzt werden, warnte er.

Doch auch die Internet-Plattformen wie Facebook oder Youtube selbst sieht der Brite in der Pflicht. Ein Verhaltenskodex, den die Plattformen selbst beschließen sollen, soll Manipulationen verhindern. Einen ersten Entwurf hat die Kommission im Juli als nicht zufriedenstellend zurückgewiesen, im September soll laut King eine nachgebesserte Version vorliegen. Die Brüsseler Behörde fordert unter anderem, dass die Möglichkeiten politischer Werbung für bestimmte Nutzergruppen stark eingeschränkt werden.

Sorge vor Steve Bannon

Besondere Sorge gilt den Europäern in diesem Zusammenhang Plänen des ehemaligen Beraters von US-Präsident Donald Trump, Steve Bannon, der die künftige Parteienlandschaft im Europaparlament zugunsten rechter und populistischer Kräfte gehörig durcheinanderwirbeln will. Bis zu ein Drittel der Abgeordneten sollen der „rechtspopulistischen Supergruppe“ angehören. In Brüssel geht man davon aus, dass dem ehemaligen Chef des rechtspopulistischen Portals breitbart.com jedes Mittel recht ist, sein Ziel zu erreichen – und soziale Medien wusste Bannon schon immer gekonnt für sich zu nützen.

So auch die Russen, die unter dem Namen „Agentur für Internet-Forschung“ (IRA) eine eigene Troll-Armee beschäftigt haben sollen. Die „Agentur“ soll in der Zwischenzeit schon einen anderen Namen, ihre Aktivitäten aber lange nicht eingestellt haben. Die IRA geriet bei den US-Präsidentschaftswahlen ins Blickfeld, soll sie doch direkt in die sozialen Medien eingegriffen und gegen die demokratische Kandidatin, Hillary Clinton, Stimmung gemacht haben. Der mutmaßliche russische Eingriff ist in den USA bis heute Gegenstand von Ermittlungen, sehr zum Missfallen von Präsident Donald Trump, der am Mittwoch erneut die Einstellung gefordert hat. Ob die Russen, bzw. der IRA-Dunstkreis, bei den neuesten Enthüllungen eine Rolle spielen, steht noch nicht fest. Man habe zwar Parallelen zu diesen früheren Aktivitäten feststellen können, allerdings sei es, allen Unkenrufen zum Trotz, sehr schwierig, die Betreiber von Troll-Seiten aufzuspüren, meldete Facebook. Zum einen habe das Unternehmen die Sicherheitsbestimmungen für die Nutzer viel höher geschraubt, zum anderen würden die Trolle viel professioneller agieren. „Wer auch immer hinter diesem Netzwerk der Profile steckt, hat viel darauf aufgewendet, die eigentliche Identität zu verstecken“, sagte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.

„Gut finanzierte“ Gegner

Die Kampagne zur Manipulation der US-Kongresswahlen hat Facebook eigenen Angaben zufolge nach einer zweiwöchigen Recherchephase aufgedeckt. Die Wahlen – Senat und Repräsentantenhaus – finden heuer im November statt; die Demokraten wollen in beiden Kammern die Dominanz der Republikaner brechen.

Konkret waren 32 Nutzerkonten auf Facebook und dem Bilderdienst Instagram betroffen, die allem Anschein nach gefälscht waren und über die Tausende Dollar für Werbeanzeigen geflossen sind. Man habe es also mit „gut finanzierten“ Gegnern zu tun, schreibt Facebook. Damit die Betreiber über ihre Netzwerk-Adressen nicht ausforschbar sind, dürften sie Mittelspersonen eingesetzt haben. Die Seiten trugen Namen wie „Aztlan Warriors“, offenbar benannt nach der sagenumwobenen Heimat der Azteken, oder „Resisters“ und „Black Elevation“. Mindestens eine dieser Seiten hatte etwa 290.000 Follower, heißt es. Über sie sollen kontroverse Inhalte zu den Themen Migration, Donald Trump oder Grenzpolitik verbreitet worden sein, um gesellschaftspolitische Diskussionen zu entfachen.

Darüber hinaus sollen die Betreiber auch etwa 30 Veranstaltungen realiter organisiert haben. Eine davon findet erst statt: Am 10. August wollen in Washington Rechte und Rechtsextreme eine sogenannte „Unite the Right“-Kundgebung abhalten, und mehrere Organisationen – darunter offenbar auch eine der Troll-Seiten, aber auch bekannte NGOs – rufen zu einer Gegendemonstration auf. (aga/duö)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2018)

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