Energie: Syrien-Krise erreicht die Tankstellen

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Symbolbild(c) EPA (WU HONG)
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Der Ölpreis reagiert empfindlich auf die Ankündigung eines Militärschlages. Laut Experten ist dies aber nur der Auslöser einer sich schon länger abzeichnenden Entwicklung. Das wahre Problem sei nicht Syrien, sondern Libyen.

Wien. Um mehr als sieben Prozent sprang der Preis der europäischen Referenz-Ölsorte Brent seit Dienstagfrüh nach oben – auf knapp 120 Dollar je Fass (159 Liter) –, seit klar wurde, dass ein Militärschlag einer westlichen Allianz gegen Syrien nur mehr eine Frage der Zeit ist. Die US-Sorte WTI legte zwar etwas geringer zu, befindet sich aufgrund eines schon länger andauernden Anstiegs jedoch auf dem höchsten Stand seit Mai 2011 (siehe Grafik).

Angriffe in Syrien könnten den Konflikt auch auf andere Länder der Region – allen voran den Irak – übergreifen lassen, begründeten Händler die Reaktion des Marktes. Und in diesem Fall sei der jüngste Anstieg nur der Beginn einer neuen Hochpreisphase. So prognostizieren die Analysten der französischen Großbank Société Générale sogar einen Preis von 150 Dollar je Fass, sollte sich der militärische Konflikt auf andere Teile der Region ausbreiten. Damit würde der Ölpreis sogar den bisherigen Rekordwert von rund 140 Dollar je Fass im Juni 2008 übertreffen.

Syrien für Ölmarkt nicht relevant

„Es ist etwas eigenartig, dass der Ölpreis jetzt so steigt. Denn grundsätzlich ist Syrien für den Ölmarkt nicht sonderlich relevant“, meint dazu David Wech vom Ölmarktanalysten JBC Energy. Das arabische Land produziert zur Zeit nur rund 70.000 Fass Öl pro Tag, vor Ausbruch des Bürgerkrieges waren es etwa 300.000 Fass täglich. Zum Vergleich: Der weltgrößte Ölproduzent Saudiarabien fördert jeden Tag fast zehn Mio. Fass Öl aus dem Boden. Und auch Österreich produziert mit fast 30.000 Fass pro Tag nahezu die Hälfte der Menge Syriens.

Der jüngste Anstieg dürfte daher einerseits mit der Psychologie der Börsen zu tun haben, so Wech weiter. Andererseits sei Syrien lediglich der Auslöser einer sich schon länger abzeichnenden Entwicklung: „Um wirklich in Bewegung zu kommen, braucht der Ölmarkt eine Ansammlung von Faktoren, die in dieselbe Richtung zielen. Das war in den vergangenen Wochen der Fall. Syrien könnte nun der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.“

So hätten die Eskalation der politischen Situation in Ägypten und kleinere Probleme im Irak schon in den vergangenen Wochen zu einer Anspannung auf dem Markt beigetragen, die sich in den Preisen bislang noch nicht widergespiegelt hat. Das wahre Problem sei gar nicht im Nahen Osten, sondern in Nordafrika zu finden: in Libyen.

„Die Situation in Libyen ist viel entscheidender“, sagt Wech. So gäbe es in den ölreichen Regionen des Landes separatistische Bestrebungen, auf die die Regierung noch keine Antworten gefunden hat. „Hier gibt es berechtigte Sorgen, dass Ordnung und Einheit des Staates erhalten bleiben.“

Die Folge dieses Konflikts waren bisher Streiks auf mehreren Ölfeldern sowie die Unterbrechung einer Pipeline, die das Öl von zwei der größten libyschen Felder zur Küste bringt. Dies führte dazu, dass die libysche Ölproduktion in den vergangenen zwei Monaten von 1,4 Mio. Fass pro Tag auf 200.000 Fass täglich zurückging.

Wer hat noch Reserven?

Dieser Ausfall von mehr als einer Million Fass pro Tag habe die Situation auf dem globalen Ölmarkt bereits „sehr eng“ werden lassen. „Die Nachfrage steigt zum Ende des Jahres hin traditionell an. Und es ist fraglich, ob Saudiarabien den Willen und die Möglichkeit hat, seine Produktion entscheidend auszuweiten“, sagt Wech. So würden die Saudis bereits 9,8 Mio. Fass pro Tag fördern und seien in der Vergangenheit nie über zehn Mio. Fass gegangen. Laut früheren Aussagen des saudischen Ölministers hat das Land zwar die Kapazität für eine noch höhere Ölproduktion. In der Branche sei man sich dabei jedoch nicht ganz sicher, so Wech.

Sollte sich die Situation in Libyen nicht entspannen, wonach es derzeit nicht aussieht, dürfte der Ölpreis also auch ohne eine größere Eskalation in Syrien das zuletzt konstante Niveau von 110 Dollar dauerhaft überschreiten. Wie hoch er dabei tatsächlich steigt, ist jedoch fraglich. So lag der Preis auch während des Arabischen Frühlings und des Bürgerkrieges in Libyen nie über 135 Dollar je Fass. Klar ist aber auch, dass jegliche Steigerung bei Rohöl sich auch auf die Preise von Benzin und Diesel an den Tankstellen durchschlägt. Dies hat jedoch auch wieder einen dämpfenden Effekt. „Die Nachfrage reagiert deutlich schneller, als man es früher erwartet hätte“, so Wech.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2013)

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