Italiens Staatspräsident Napolitano ist zurückgetreten

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ITALY GOVERNMENT PRESIDENT(c) APA/EPA/MASSIMO PERCOSSI (MASSIMO PERCOSSI)
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Georgio Napolitano hat am Mittwoch altershalber das Präsidentenamt zurückgelegt; und schon bahnt sich das nächste landestypische Politikgezänk an: alle gegen alle.

Rom. Sein Rücktritt war lange erwartet worden. Am Mittwoch, kurz vor 11 Uhr, war es dann so weit: Der italienischen Staatspärsident Georgio Napolitano legte sein Amt zurück. Seinen Abschied hatte er sich entspannter vorgestellt. Napolitano hatte gedacht, dieser Junge da in seinem Ungestüm – gemeint: Premier Matteo Renzi – würde die Sache schon reißen, etwas ruppig, gewiss, aber entschieden. Und er selbst, müde von fast 90 Jahren Leben und 62 Jahren Politik, könnte sich beruhigt aufs Altenteil zurückziehen. „Soll keiner klagen, es gehe alles zu stürmisch“, hatte Napolitano den versammelten Spitzen von Staat und Gesellschaft noch Mitte Dezember zugerufen: „Endlich hat eine italienische Regierung Reformen angepackt, die schon seit Jahrzehnten für nötig befunden wurden, und es tut auch unserem internationalen Ansehen gut, dass nun alles ohne Halt vorangeht.“

Das war es, was Napolitano immer gewünscht hatte: Dass endlich Ruhe einkehre in die Politik, Verlässlichkeit, „normale Verhältnisse“ – ohne diesen ewigen Pulverdampf, ohne unaufhörliche Kampagnenstimmung, ohne den andauernden Ruf nach Neuwahlen.

Milliardengeschenk

Jetzt Mitte Jänner ging Napolitano tatsächlich. Und alles ist wieder so desolat, wie es vorher war. Dieser Junge da, Matteo Renzi, hat sich verhoben. Irgendwie – er sagt: durch seine eigene Hand – ist ins Haushaltsrecht ein Passus geraten, der nach einer Amnestie für Silvio Berlusconi aussieht und nach einem Milliardengeschenk für alle anderen großen Steuerbetrüger Italiens. Absicht oder Betriebsunfall oder einfach nur – typisch Renzi – schludrige Kommunikation?

Die Geier jedenfalls haben auf so etwas schon gewartet. Von allen Seiten stürzen sie sich auf den Regierungschef, die Gegner in der eigenen Partei nicht zuletzt, die den Stürmischen immer schon kleinkriegen wollten und nun erstmals eine dafür geeignete Schwachstelle an ihm gefunden haben.

Und während Renzi sichtlich in die Defensive gerät, steigt der andere wieder aus seiner gerichtlichen Versenkung auf: „Wenn ich im Februar meinen Sozialdienst hinter mir habe“, sagt Silvio Berlusconi, „dann starten wir Rechten mal wieder eine richtig große Wahlkampagne.“

Die Wahl von Napolitanos Nachfolger – wahrscheinlich Ende Jänner – wird demnach ein einziges Gezänk werden, eine Generalabrechnung, eine Hackerei von allen gegen alle. Es wird nicht die ruhige Amtsübergabe in einem demokratisch gereiften, international wieder geachteten Land, die sich Napolitano erhofft hatte.

Napolitano selbst ist Kind eines solchen Großgezänks. Im April 2013 hatte er schon die Umzugskisten gepackt, um nach sieben Amtsjahren auf dem Quirinal noch etwas von seiner Familie und seiner Rente zu haben. Doch im Patt nach der Parlamentswahl damals ging auch die Neuwahl des Staatspräsidenten daneben. Also rangen die Parteien dem damals schon knapp 88-Jährigen ein zweites Mandat ab.

Den Anfang machte ausgerechnet Berlusconi, der 2006, bei Napolitanos erster Wahl, im Parlament nicht einmal geklatscht hatte. Napolitano war schließlich Kommunist, und Kommunisten, so dozierte Berlusconi jeden Tag aufs Neue, „haben immer und überall nur Folgendes gebracht: Elend, Terror, Tod.“

Dass er bei Napolitano damals an der falschen Adresse war, störte den Demagogen Berlusconi nicht. Napolitano war nie ein Moskau-Betonkopf wie so viele andere Kommunisten Italiens, sondern immer schon der Vordenker eines europäischen Sozialismus, Fachmann in seinem einstigen Parteivorstand für Wirtschafts- und Außenpolitik. 1989/90 hatte Napolitano kein Wendemanöver nötig; da schätzte man den gebürtigen Neapolitaner längst als Gesprächspartner in den USA und Westeuropa.

Schatten auf der Integrität

Napolitano war neun Legislaturperioden lang Parlamentsmitglied; 1992 stieg er gar zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses auf – in einer Zeit, als der Parteispenden- und Bestechungsskandal „Tangentopoli“ das korrupte System der „Ersten Republik“ hinwegfegte. Auf Napolitanos Integrität ist erst vergangenes Jahr ein leichter Schatten gefallen, als ihm palermitanische Staatsanwälte vorhielten, er habe etwas mit illegalen Absprachen zwischen Staat und Mafia zu tun gehabt. Beweis gibt es nach wie vor keinen einzigen.

Nur verzeihen es ihm die Rechten nicht, dass er im November 2011, als Italien in seiner Schulden- und Wirtschaftslage zur Gefahr für den Euroraum geworden war, den damaligen Regierungschef Berlusconi zum Rücktritt drängte. Lautlos, aber entschlossen orchestrierte Napolitano damals die Technokraten-Regierung unter Mario Monti, und im Februar 2014 geleitete er Matteo Renzi ins Amt.

Kein Nachfolger in Sicht

Das war schon die zweite vom Volk nicht gewählte Regierung, die Napolitano ins Amt gehievt hatte. Er habe seine Befugnisse damit zu Lasten der Demokratie überzogen, sagen die einen. In der Bezeichnung „Re Giorgio – König Giorgio“, die Napolitano erhalten hat, schwingt sowohl höchste Anerkennung mit als auch Zweifel. Aber wer weiß, wo Italien heute ohne die ruhige Hand und die weise, unbeirrbare Regie seines Staatschefs stünde. So viel ist sicher: Ein Nachfolger von annähernd vergleichbarer Statur ist nicht in Sicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2015)

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