„Der Bosnien-Krieg wird mit anderen Mitteln fortgesetzt“

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Banja Lukas Bischof, Franjo Komarica, klagt, dass 20 Jahre nach Kriegsende nach wie vor keine Lösung für Bosnien in Sicht sei.

Wien. Eigentlich steht auch Bosnien und Herzegowina auf der Liste der Staaten, die der Nato und der EU beitreten sollen. Doch die internen Probleme des südosteuropäischen Landes bremsen die Integration in die euro-atlantischen Strukturen. Das Dayton-Friedensabkommen, das vor 20 Jahren abgeschlossen worden ist, hat zwar den besonders grausamen Krieg in Bosnien und Herzegowina beendet. Politisch gelöst wurde der Konflikt aber nicht wirklich.

Das Land ist heute aufgeteilt in die Bosniakisch-Kroatische Föderation und die Serbische Republik. Die Führung der Serbischen Republik sieht Bosnien und Herzegowina nach wie vor nicht als Staat, an dem sich auch die Serben beteiligen sollten, und droht immer wieder mit einer Abspaltung. Die Politiker der drei konstitutiven Völker – der Bosniaken (bosnische Muslime), der Serben und der Kroaten – konnten sich nach wie vor nicht darauf einigen, in welcher Art von Land sie leben wollen. „Damals, im Krieg, ist eine furchtbare Lawine über uns hereingebrochen, von der kaum jemand verschont geblieben ist. Diese Lawine wurde gestoppt. Die Ruinen, die sie verursacht hat, sind aber noch immer da“, sagt der katholische Bischof von Banja Luka, Franjo Komarica, zur „Presse“.

Der Kroate stand in der serbisch kontrollierten Stadt Banja Luka während des Krieges unter Hausarrest und wurde von den Milizen der bosnischen Serben immer wieder mit dem Umgebracht-Werden bedroht. Vor Kurzem war Komarica in Wien, wo er unter anderem auf Einladung des kroatischen Kulturvereins Napredak das Buch „Liebe. Macht Erfinderisch.“ über seine Erinnerungen vorstellte.

Nach dem Ende des Blutbades habe es in Bosnien und Herzegowina große Hoffnungen gegeben, sagt der Bischof. Viele dieser Hoffnungen seien aber nicht erfüllt worden. „Der Krieg wird heute fortgesetzt – nur mit anderen Mitteln.“

Während des Krieges war es in Bosnien zu „ethnischen Säuberungen“ gekommen: Serbische Einheiten hatten in großem Umfang bosniakische und kroatische Zivilisten ermordet und vertrieben, um ein rein serbisches Gebiet unter ihre Kontrolle zu bringen. Vor allem bei den bosniakischen und kroatischen Gegenoffensiven 1995 wurden dann aber auch zahlreiche serbische Zivilisten vertrieben.

Bischof Komarica klagt, dass die wenigen Kroaten, die heute noch in der Serbischen Republik verblieben sind, nach wie vor diskriminiert würden. „Sie haben keine Chance, Arbeitsplätze zu erhalten.“ Kroatisch bewohnte Dörfer würden bei der Anbindung an Straßennetz und Stromversorgung benachteiligt, sagt Komarica. Aus ganz Bosnien und Herzegowina würden immer mehr Kroaten wegziehen.

Ein Grund dafür ist auch die prekäre wirtschaftliche Situation im Land. Viele bosnische Kroaten sind deshalb nach Kroatien ausgewandert, das seit 2013 Teil der Europäischen Union ist. Die Bürger Bosnien und Herzegowinas werden hingegen noch lang auf einen EU-Beitritt warten müssen. „Das ist ein großes Problem“, sagt Komarica. „Der Beitritt zur EU darf sich nicht noch weiter verzögern.“ (w. s.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2015)

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