Widerstand in den Behörden und die kurze Nacht der langen Messer

Sally Yates.
Sally Yates.(c) APA/AFP/SAUL LOEB
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US-Präsident Donald Trump entlässt die dissidente amtsführende Justizministerin. Hunderte US-Diplomaten protestieren gegen neue Einreiseverbote.

Washington. Das erste konkrete Duell zwischen der Bürokratie der Vereinigten Staaten und dem neuen US-Präsidenten Donald Trump endete in der Nacht auf Dienstag mit der Entlassung der amtsführenden US-Justizministerin und ihrer Beschuldigung durch Trump, ihre Behörde „verraten“ zu haben.

Am frühen Montagabend hatte Sally Yates, eine seit Jahrzehnten im Justizministerium arbeitende Berufsbeamtin, die im Jahr 2015 vom damaligen Präsidenten Barack Obama zur stellvertretenden Behördenleiterin bestellt worden war, in einem kurzen Schreiben festgehalten, dass sie als derzeit amtsführende Justizministerin den umstrittenen Erlass Trumps zur vorläufigen Beendigung der Ausstellung von Visa für rund 220 Millionen Bürger von sieben mehrheitlich muslimischen Staaten nicht vor Gericht verteidigen würde. „Gegenwärtig bin ich nicht überzeugt, dass die Verteidigung des Erlasses konsistent mit meinen Verantwortlichkeiten wäre, noch bin ich überzeugt, dass der Erlass rechtens ist“, schreib Yates.

US-Bundesstaaten gegen Trump

Diese Amtshandlung sollte Yates' letzte gewesen sein. Keine zwei Stunden später teilte ihr das Weiße Haus per Brief mit, dass sie ihres Amtes enthoben sei. Trumps Pressesprecher Sean Spicer verschickte wenige Minuten danach eine Presseaussendung, die in Tonalität und Vokabular direkt aus Trumps Strom an Tiraden auf Twitter hätte stammen können. Yates habe „das Justizministerium verraten“, sie sei „schwach bei Grenzen und sehr schwach bei illegaler Einwanderung.“ Selbst traditionelle Konservative waren vom Ton dieser Verlautbarung erschüttert: „Ich habe noch nie eine Stellungnahme des Weißen Hauses gelesen, die derart niederträchtig war wie Trumps Angriff auf die amtsführende Justizministerin. Eine neuer Tiefpunkt“, warnte John Dean, der einstige Rechtsberater von Präsident Richard Nixon (Dean spielte im Rahmen der Watergate-Affäre eine wichtige Rolle in der Wahrheitsfindung über Nixons Verschwörung, die in dessen Rücktritt endete).

Schon um 21 Uhr hatte Trump den Bundesstaatsanwalt Dana Boente als vorläufigen Justizminister installiert. Boente erklärte, er erachte den Erlass grundsätzlich für rechtens und werde ihn in den Gerichten verteidigen.

Mehrere Klagen gegen das vorerst viermonatige Einreiseverbot für die meisten Inhaber von iranischen, irakischen, libyschen, somalischen, sudanesischen, syrischen und jemenitischen Pässen sind bereits anhängig. Auch die Justizminister mehrerer demokratisch regierter Bundesstaaten gehen gerichtlich gegen Trumps Erlasspolitik vor. „Normalerweise wache ich nicht jeden Tag mit dem Gedanken daran auf, wie ich Donald Trump verklagen kann. Aber wir haben erst zehn Tage hinter uns, und ich habe schon drei Klagsschriften eingebracht“, erklärte Maura Healey, die Justizministerin von Massachusetts.

Weißes Haus droht Diplomaten

Auch im Außenministerium regt sich Dissidenz. Mehrere Hundert Diplomaten haben einen formalen Einwand gegen Trumps Visabann unterschrieben. „Er wird sofort die Beziehungen zu diesen Ländern und einem Großteil der muslimischen Welt verschlechtern, welche den Bann als religiöse motiviert betrachten. Er wird den Antiamerikanismus verstärken“, heißt es hier unter anderem. Seit 1971, als Folge des Fiasko des Vietnamkrieges, haben US-Diplomaten das Recht, so eine „Dissent Channel Message“ zu deponieren. Üblicherweise lädt der jeweilige Außenminister sie dann ein, ihre Bedenken in einer Aussprache vorzutragen.

Doch Trumps Team will davon nichts wissen. „Diese Berufsbürokraten haben ein Problem? Sie können entweder unser Programm durchziehen oder gehen“, drohte Spicer am Montag.

AUF EINEN BLICK

US-Präsident Trump hat Sally Yates als Justizministerin entlassen. Die 56-Jährige hatte das Amt elf Tage zuvor kommissarisch übernommen. Just die neue US-Regierung hatte sie darum gebeten, weil Yates designierter Nachfolger, Jeff Sessions, noch vom Senat bestätigt werden musste. Ihr halbes Leben lang hatte Yates im Ministerium gedient. Die zweifache Mutter aus Georgia galt schon immer als meinungsstark. Nun rief sie die Anwälte im Ministerium auf, Trumps Einreiseverbot juristisch nicht zu verteidigen. „Verrat“ am eigenen Ressort, polterte der Präsident.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2017)

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