Turbulenzen im Weißen Haus

Sicherheitsberater Michael Flynn (l.) hatte exzellente Kontakte in den Kreml. Bei einer Jubiläumsgala des TV-Senders „Russia Today“ in Moskau saß er neben Wladimir Putin.
Sicherheitsberater Michael Flynn (l.) hatte exzellente Kontakte in den Kreml. Bei einer Jubiläumsgala des TV-Senders „Russia Today“ in Moskau saß er neben Wladimir Putin.(c) REUTERS (SPUTNIK)
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Unerfahrenheit, Überheblichkeit und Profilierungsstreben kosteten Donald Trumps Nationalen Sicherheitsberater Flynn den Posten. Amerikas Machtzentrale ist von Intrigen gelähmt.

Washington. Donald Trump, der im Wahlkampf verkündet hatte, niemand anderer als er allein könne Bedrohungen von Amerika abwenden, weil er die Weltlage besser verstehe als all die Generäle und Fachleute, steht nach nicht einmal vier Wochen im Amt vor einer fundamentalen Krise des öffentlichen Vertrauens in seine Kompetenz als Präsident. Der fluchtartige Rücktritt seines Nationalen Sicherheitsberaters, Michael Flynn, in der Nacht auf Dienstag beraubt Trump eines seiner engsten und ergebensten Loyalisten in einem Weißen Haus, in dem sich ein fataler Machtmechanismus zu etablieren scheint: Niemand wagt es, den Präsidenten mit unangenehmen Tatsachen zu konfrontieren. So bleiben wichtige personelle und politische Entscheidungen offen. Währenddessen verzettelt sich der Präsident in Twitterschimpfereien gegen eine Kaufhauskette, welche die Produkte seiner Tochter, Ivanka, nicht mehr verkaufen will, gegen die Satireshow „Saturday Night Live“ und gegen Arnold Schwarzenegger, seinen Nachfolger in der Fernsehshow „The Apprentice“.

Die Liste der Anekdoten, die seit Tagen aus dem Weißen Haus an die Öffentlichkeit tropfen, illustriert eine Organisation, die von Unprofessionalität, Konkurrenzdenken und Anflügen von Paranoia gelähmt wird. Stabsmitarbeiter kommunizieren aus Angst vor Repressalien ihrer Chefs mittels einer App, die ihre Nachrichten nach dem Lesen sofort löscht (was vermutlich eine Verletzung des Federal Records Act ist, der Regierungsmitarbeiter zur Dokumentation amtlicher Kommunikation verpflichtet).

Moskaus Kompromat gegen Flynn

Das tägliche präsidentielle Briefing über die Sicherheitslage auf der Welt darf höchstens ein Blatt Papier und darauf nur neun stichwortartige Punkte umfassen; bunte Grafiken und Landkarten sind dabei von Vorteil. „Der Präsident liebt Landkarten“, erklärt ein Mitarbeiter. Bei dienstlichen Besprechungen mit ausländischen Partnern aus dem Militär- und Sicherheitsbereich stehen demonstrativ Kaffeetassen mit der nationalistischen Wahlkampfparole „Make America Great Again“ auf dem Konferenztisch. Und der nun nach bloß 24 Tagen zurückgetretene Flynn, ein ehemaliger Berufsoffizier der US Army, wusste nicht einmal, wie er im Fall einer Naturkatastrophe oder eines Terroranschlages die Nationalgarde zu aktivieren hätte.

Flynn wurde es zum Verhängnis, dass er Vizepräsident Mike Pence darüber anlog, ob er mit Russlands US-Botschafter, Sergej Kisljak, die mögliche Aufhebung der US-Sanktionen von Präsident Barack Obama gegen russische Diplomaten unter Trump besprochen hatte, ehe Trump noch im Amt war. Flynn bestritt das, und so tat es Pence live im Fernsehen. Was Flynn offensichtlich vergaß: Alle Gespräche des russischen Botschafters werden von NSA und FBI mitgehört und dokumentiert. So wusste das Justizministerium, dem das FBI unterstellt ist, dass Flynn öffentlich gelogen hatte – und dass der Kreml ihn auf diese Weise erpressen könnte.

Was wusste der Präsident, und wann?

Hier beginnt die Affäre zu einem unmittelbaren Problem für Trump zu werden. Denn Sally Yates, die mittlerweile von ihm entlassene stellvertretende Justizministerin, trug diese Warnung schon im Jänner an Donald McGahn, Trumps Rechtsberater im Weißen Haus, heran. Was McGahn mit dieser brisanten Information tat, ob er sie an Trump weitergab, ist derzeit unbekannt.

Trump hat Flynn nach Darstellung des Weißen Hauses übrigens selbst entlassen. Das sagte zumindest Sprecher Sean Spicer am Dienstag in Washington. Bisherigen Informationen aus dem Weißen Haus zufolge hatte Flynn von sich aus um seine Entlassung gebeten. Es hieß, Trump habe Flynn halten wollen. Man habe den Vorgang täglich über Wochen untersucht und bewertet, sagte Spicer.

Was wusste der Präsident, und wann wusste er es? Diese Schlüsselfrage, gestellt vom republikanischen Senator Howard Baker im Untersuchungsausschuss zur Ergründung des Watergate-Skandals, führte 1974 zum Abtritt Richard Nixons. Noch blockieren die Republikaner im Kongress die parlamentarische Erforschung von Flynns Tun. „Die Sache hat sich von selbst erübrigt“, erklärte Jason Chaffetz, Vorsitzender des Kontrollausschusses im Abgeordnetenhaus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2017)

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