Die TV-Debatte zwischen Marine Le Pen und Emmanuel Macron hat an der Ausgangslage für die Präsidentenwahl kaum etwas geändert. Macron festigte seine Position.
Paris. Kurz vor der Stichwahl am Sonntag dürften in Frankreich die Würfel bereits gefallen sein. Die Fernsehdebatte am Mittwochabend war vielleicht die letzte Chance der Präsidentschaftswerber, die noch unschlüssigen Wähler für sich zu gewinnen oder umzustimmen. Eine Wende brachte diese Auseinandersetzung aber nicht.
Die 16,5 Millionen Zuschauer konnten sich aufgrund des heftigen Verlaufs eher ein Bild des persönlichen Stils und Charakters der Anwärter machen. Laut einer Umfrage im Anschluss gewann Macron das „Match“ gegen Le Pen mit 63 gegen 34 Prozent – was ungefähr dem bekannten Stimmungsbarometer entspricht. In den USA – bei freilich einem völlig anderen Wahlsystem – siegte Hillary Clinton bei den TV-Debatten, verlor aber die Wahl.
Die Stimmungslage spiegelt auch die Einschätzung der meisten Medienkommentare am Tag danach. Sie monieren die „Brutalität“ der Konfrontation und lasten die Schuld dafür hauptsächlich der Rechtspopulistin Marine Le Pen an. Sie habe mit harten Bandagen gekämpft, um die eigenen Schwächen in ihrem Programm und ihrer Argumentation zu vertuschen. Diese wurden vor allem bei Wirtschaftsfragen und speziell ihrer Forderung nach einem Austritt aus dem Euro deutlich.
Die 19 Lügen der Le Pen
Thierry Solère von den Republikanern meinte ironisch: „Tolle Leistung von Marine Le Pen. Mit ihrer Würdelosigkeit hat sie noch den letzten Unschlüssigen Lust gemacht, für Macron zu stimmen.“ Die Zeitung „Le Monde“ bezichtigt Le Pen der „Diskussionsverweigerung“. Beim Fact-Checking listet das Blatt nicht weniger als 19 Lügen bei Le Pen auf.
Die Kandidatin des Front National (FN) hatte die Debatte mit einem Frontalangriff eröffnet. Ihre ersten Sätze schallten wie Ohrfeigen: „Monsieur Macron, Sie sind der Kandidat der ungezügelten Globalisierung, der ,Uberisierung‘, der Verarmung, des Krieges ,Jeder gegen jeden‘.“ Als Bankier, der er einmal war und geblieben sei, verkörpere er die Finanz, den Ultraliberalismus. Er werde im Hintergrund „von Hollande gesteuert“, behauptete die Rechtspopulistin, die dabei eindeutig überzog.
Macron reagierte zunächst gelassen und fast amüsiert auf die Tirade. Dann ließ er sich aber in die Polemik hineinziehen, weil er ihre oft sehr ungenauen oder offensichtlich falschen Behauptungen korrigieren wollte. Le Pen war jedoch nicht gekommen, um über ihr Programm und die Zukunft Frankreichs zu diskutieren, sondern, um eine Konfrontation zu provozieren oder wenigstens ihren Gegner aus der Fassung zu bringen.
Das gelang ihr nur bedingt – und nicht gerade zu ihrem Vorteil. Schließlich aber bezeichnete Macron sie entrüstet als „Hohepriesterin der Lüge“ und sagte, sie sei die Erbin der extremen Rechten, die seit Jahrzehnten „Hass verbreitet“. Er wirkte belehrend oder gar arrogant, als er ihr mehrfach vorhielt, sie erzähle „lauter Dummheiten“.
Eine echte politische Diskussion war schlicht nicht möglich, die beiden Moderatoren waren überfordert damit, das Gespräch zu lenken und Zwischenfragen zu stellen. Manchmal hing die Fortsetzung an einem Faden. Macron reichte sogar Klage ein, nachdem Le Pen den Verdacht erweckt hatte, er habe ein Geheimkonto auf den Bahamas.
Vor allem in der Diskussion um den Euro geriet die FN-Chefin in Schwierigkeiten. Sie war nicht in der Lage, zu erklären, ob und wie sie aus der Währungsgemeinschaft austreten wolle und in welcher Form eine nationale Währung parallel zum Euro existieren könne.
Wahlempfehlung Obamas
Als 2002 Jacques Chirac in der Stichwahl Jean-Marie Le Pen gegenübertrat, lehnte er eine Debatte mit ihm ab. Macron rechtfertigte seine Teilnahme an jener mit der heutigen FN-Chefin so: „Man muss mit dem Front National diskutieren, selbst wenn man etwas beschmutzt wird.“ Macron festigte seinen Favoritenstatus. Le Pen hatte nichts zu verlieren, beschädigte jedoch ihren Ruf. Ihr Vater, Jean-Marie Le Pen, mäkelte gar, seiner Tochter fehle es „etwas an Größe“.
Unterdessen erhielt Macron weitere prominente Unterstützung. Ex-US-Präsident Barack Obama schloss seine Wahlempfehlung mit dem Aufruf: „En marche. Vive la France.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2017)