Der fremde Freund: EU versammelt sich hinter Macron

Frankreich hat sich "für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ausgesprochen"
Frankreich hat sich "für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ausgesprochen" AFP (PATRICK KOVARIK)
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Eine ganze Wagenladung Hinkelsteine dürfte den Vertretern der Europäischen Union am Sonntagabend mit der Wahl von Emmanuel Macron zum Präsidenten Frankreichs vom Herzen gefallen sein.

Er sei glücklich, dass sich die Franzosen für eine europäische Zukunft entschieden hätten, erklärte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nach der Stichwahl in Frankreich und dem Sieg Emmanuel Macrons. EU-Ratspräsident Donald Tusk twitterte mit Verweis auf die Ideale der französischen Revolution, dass sich die Menschen für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ausgesprochen hätten anstatt für die „Tyrannei von „Fake-news““. Die EU-Politiker waren sich in den vergangenen Wochen einig, dass bei dieser Wahl der Fortbestand der EU auf dem Spiel stand. Einen Brexit kann die Staatengemeinschaft verschmerzen, sie hätte 2015 wohl auch einen Euro-Austritt Griechenlands weggesteckt. Aber eine EU ohne den Gründerstaat Frankreich und stattdessen mit einem wirtschaftlich wie politisch übermächtigen Deutschland wollte sich in Brüssel niemand ausmalen.

Es könnte aber auch so ein kurzes Frühlingserwachen für die EU-Vertreter werden, nachdem Macron den Sieg davongetragen hat. Viele seiner Ziele sind vage, zumal er eine Konsultationsphase von sechs bis zehn Monaten in allen EU-Staaten vorschlägt. Sie soll eine Roadmap hervorbringen, die in eine Art Fünf-Jahres-Plan für Europa münden würde. Bei etlichen Vorhaben muss Macron also noch klären, inwieweit er der EU-Linie folgen will. Oder er muss Kompromisse eingehen, weil er sonst im Parlament scheitern würde, bei dessen Wahl im Juni eine Mehrheit für seine junge Bewegung "En Marche" noch lange nicht feststeht. Für die Linken in seinem Land und Europa sind viele von Macrons Ideen ohnehin nur schwer zu ertragen. Seine Pläne würden sich in weiten Teilen wie eine französische Agenda 2010 lesen, kritisierte etwa die EU-Abgeordnete Sabine Lösing von den Linken.

Das Centrum für Europäische Politik (Cep) wies bereits nach dem ersten Wahlgang darauf hin, dass Macron die Euro-Zone stärken will, was bei EU-Institutionen und Bundesregierung zwar auf Zustimmung stoßen dürfte: "Allerdings könnte es unter Macron Impulse hin zu einer tieferen Integration der Euro-Zone geben, die nicht alle einhellig begrüßen". Die Cep-Experten verwiesen auf den Vorschlag Macrons, für den Währungsraum einen eigenen Etat und ein Parlament zu schaffen. Letzteres hatte auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble angeregt. Allerdings will der frühere Banker aus Frankreich die Verteilung der Mittel nicht primär an die Einhaltung von Fiskalregeln, sondern an Fragen der Besteuerung und Sozialpolitik knüpfen. Wie das funktionieren soll, lässt sich aus seinem Wahlprogramms nicht ablesen, die Maßnahme dürfte aber nach Meinung der Cep-Experten auf Skepsis in Berlin stoßen. Auch wären für weitreichende Reformen wohl Vertragsänderungen nötig, was auch in Frankreich ein Referendum mit seinen Unwägbarkeiten nach sich zöge. Macrons Vorschlag, einen Finanzminister für die Euro-Zone zu schaffen, gibt zwar eine Position der Präsidenten der EU-Institutionen wider, hat bei der Bundesregierung aber bisher wenig Anklang gefunden. Und wie hält es Macron tatsächlich mit den Handelsüberschüssen Deutschlands, die er kritisiert hat? Wird er sich mit der EU-Kommission verbünden, die den deutschen Überschuss seit Jahren beklagt, dabei aber nichts erreicht hat, weil ihr mächtige Verbündete in den Mitgliedsländern fehlen? Oder wird sich der ehemalige Wirtschaftsminister, weil er daheim womöglich ein Parlament gegen sich hat, Schäuble anschließen, der eine stärkere zwischenstaatliche Kooperation postuliert und die Macht von EU-Kommission und EU-Parlament beschneiden will?

Mit seiner Forderung, die EU müsse sich besser gegen unlautere Handelspraktiken aus Ländern wie China schützen, ist Macron dagegen auf einer Linie mit Brüssel und Berlin. Spannend ist zudem sein Vorschlag eines "Buy-European-Act", mit dem er sich gegen das "Buy American" von US-Präsident Donald Trump positioniert. So sollen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge europäische Firmen bevorzugt werden. Macron will Teile des mühsam mit den USA ausgehandelten Datenschutzabkommens "Privacy Shield" aufschnüren und eine EU-Digitalagentur schaffen, die Online-Plattformen wie Facebook kontrollieren soll.

Brexit als Lackmustest

In anderen Bereichen dürfte getestet werden, ob Macron fähig ist zu EU-Kompromissen, in denen politische Gegner daheim gern einen Verrat nationaler Interessen erkennen. Wie wird er sich in den Brexit-Verhandlungen positionieren, in denen es um die wirtschaftlichen Beziehungen Frankreichs zum wichtigen Handelspartner jenseits des Ärmelkanals geht? Bisher gilt der 39-Jährige als Verfechter der Position Deutschlands und vieler anderer Länder, dass der Weg zum Erfolg eine geschlossene Haltung gegenüber der Regierung in London ist.

Wie Bundesregierung und EU-Kommission will Macron die EU-Außengrenzen stärker schützen und die Grenzschutzagentur Frontex ausbauen. Auch seine Forderung nach einem EU-Verteidigungsfonds und einem Planungszentrum für militärische Einsätze sind nicht neu, sondern bereits eingeleitete EU-Maßnahmen. Aber wird sein Wunsch nach einer stärkeren Zusammenarbeit der Geheimdienste mehr Informationsaustausch umfassen, als den Sicherheitsbehörden in anderen EU-Staaten lieb ist? Und wird er auf eine engere Kooperation des Militärs pochen, um gegen die IS-Miliz in Syrien vorzugehen – was die EU bisher der Anti-IS-Koalition überlässt?

All das wird Macron klären müssen. Womöglich wird in Brüssel die Erleichterung schnell in Ärger umschlagen. Allerdings – in der EU dürfte dann weiter die Erkenntnis vorherrschen, dass es besser ist, einen streitbaren Gallier neben sich zu haben als gar keinen Partner.

(Tom Körkemeier/Reuters)

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