Manche sehen Präsidentschaft Trumps schon vor dem Aus

Donald Trump.
Donald Trump.(c) REUTERS (KEVIN LAMARQUE)
  • Drucken

Forderte der Präsident den FBI-Chef auf, den Fall um Flynns Moskau-Connection im Sand verlaufen zu lassen?

Washington. Eine Unterredung im Weißen Haus am 14. Februar könnte als Anfang vom Ende der Präsidentschaft Donald Trumps in die Geschichte eingehen. Nach einer Besprechung über Terrorgefahren im Oval Office bat Donald Trump an diesem Tag den Justizminister und seinen Vizepräsidenten aus dem Zimmer und wandte sich an FBI-Chef James Comey. Mit dem Polizeichef redete der Präsident unter vier Augen über seinen entlassenen Sicherheitsberater Michael Flynn, dessen Kontakte zu russischen Regierungsvertretern Gegenstand einer Untersuchung des FBI sind. „Ich hoffe, dass Sie einen Weg finden, diese Sache fallen zu lassen und Flynn laufen zu lassen“, sagte Trump, wie Comey anschließend notierte.

Vertraute von Comey haben den Inhalt des Protokolls der Begegnung jetzt an die Medien weitergegeben – und damit ein neues politisches Erdbeben in Washington ausgelöst. Der Vorwurf der Strafvereitelung im Amt durch Trump steht im Raum. Einige Politiker fordern ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten, der Kongress will die Angelegenheit aufklären, bei den Republikanern verstärken sich die Absetzbewegungen: Es könnte eng werden für Trump.

Comeys Notizen von der Begegnung vom 14. Februar sollen zwei Seiten lang und sehr detailliert sein. Demnach forderte Trump den FBI-Chef unter anderem auf, strafrechtlich gegen Journalisten vorzugehen, die vertrauliches Material veröffentlichen. Brisanter noch ist das, was Trump zum Fall seines ehemaligen Beraters Flynn sagte. Der Ex-General Flynn war zunächst Wahlkampfberater von Trump und erhielt nach dem Amtsantritt des Präsidenten das Schlüsselamt des Nationalen Sicherheitsberaters. Schon nach wenigen Wochen im Weißen Haus musste Flynn seinen Hut nehmen, weil er mit dem russischen Botschafter in Washington über das Ende amerikanischer Sanktionen gegen Moskau sprach und anschließend Vizepräsident Mike Pence über den Inhalt des Gesprächs belog.

Flynns Kontakte zu den Regierungen in Russland und der Türkei, für die er als Lobbyist gearbeitet haben soll, weckten das Interesse des FBI, auch im Kongress begannen Untersuchungen. Erst kürzlich hatten die Abgeordneten des zuständigen Ausschusses den Ex-Sicherheitsberater unter Strafandrohung zur Herausgabe von Unterlagen aufgefordert. Flynn will vor dem Kongress nur aussagen, wenn ihm Straffreiheit zugesichert wird. Im Oval Office sagte Trump zu Comey, Flynn sei ein guter Mann und habe nichts Unrechtes getan. Er hoffe, Comey könne die Ermittlungen auf sich beruhen lassen, betonte der Präsident mindestens zweimal.

Verdacht des Amtsmissbrauchs

Für die Trump-Regierung ist die Akte Flynn sehr unangenehm, schließlich forscht das FBI auch wegen angeblicher Kontakte zwischen Trumps Wahlkampfteam und russischen Regierungsvertretern nach. Die Bundespolizei und die US-Geheimdienste sind überzeugt, dass Moskau im vergangenen Jahr versuchte, Trump im US-Präsidentschaftswahlkampf durch die gezielte Veröffentlichung abgefangener E-Mails seiner Rivalin Hillary Clinton einen Vorteil zu verschaffen. Comey soll mehr Geld für die Ermittlungen gefordert haben. Kurz darauf wurde er von Trump gefeuert.

Nun wolle sich Comey möglicherweise an Trump rächen, indem er das explosive Memo an die Öffentlichkeit lanciere, kommentierte der Trump-nahe Nachrichtensender Fox News. Das Weiße Haus wies Comeys Darstellung des Gesprächs im Oval Office zurück: Trump habe niemals die Einstellung der Ermittlungen gegen Flynn verlangt. Die Reaktion wirft die Frage auf, ob Comey lügt, sich nicht korrekt erinnert – oder ob es die Regierung ist, die flunkert. Viele in Washington neigen zu letzterer Variante. Der Fraktionschef der oppositionellen Demokraten im Senat, Chuck Schumer, erklärte, die nationale Sicherheit, der Rechtsstaat und die Unabhängigkeit der Bundespolizei seien in Gefahr. Trumps republikanischer Parteifreund Jason Chaffetz, Vorsitzender der Aufsichtskommission im Repräsentantenhaus, forderte beim FBI bis zum 24. Mai alle Unterlagen zum Fall Flynn an. Er wolle Comeys Memo so schnell wie möglich sehen, schrieb Chaffetz auf Twitter: Es gehe um den Verdacht, dass der Präsident versucht haben soll, eine FBI-Untersuchung abzuwürgen.

Schützenhilfe aus dem Kreml

Hilfe erhielt Trump am Mittwoch ausgerechnet von Russland. Staatspräsident Wladimir Putin erklärte sich bereit, dem US-Kongress ein Protokoll des Gesprächs zur Verfügung zu stellen, das Trump vergangene Woche mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow führte. Dabei soll Trump heikle Geheimdienstinformationen aus Israel ausgeplaudert haben, doch Russland bestreitet dies. Angesichts des Verdachts, dass Trumps Team im Wahlkampf mit Moskau gemauschelt haben soll, ist Putins Angebot freilich nicht gerade hilfreich.

Unter Trumps Beratern soll eine Atmosphäre der Frustration und Erschöpfung herrschen. Fast täglich sind sie mit einem neuen, von ihrem eigenen Präsidenten losgetretenen Skandal konfrontiert. Niemand wisse, wie es weitergehen solle, zitierte „Politico“ einen Präsidialamtsmitarbeiter. Trump selbst betrachtet den Wirbel angeblich jedoch als Beweis für die Unfähigkeit seiner Mitarbeiter, seine Arbeit angemessen darzustellen. Berichte über eine bevorstehende Umbildung von Trumps Beraterstab machen die Runde. Demnach könnte Präsidialamtssprecher Sean Spicer seinen Job verlieren.

Aber auch neue Berater werden den Comey-Skandal nicht aus der Welt schaffen können. Trumps Verhalten hinterlasse selbst bei seinen Parteifreunden den Eindruck, dass der Präsident mit seinem Druck auf Comey zu weit gegangen sei, meldete „Politico“. David Ignatius, ein angesehener Kolumnist der „Washington Post“, schrieb auf Twitter, die neuen Enthüllungen markierten den Anfang vom Ende von Trumps Präsidentschaft.

Laut Verfassung muss die Initiative zur Amtsenthebung vom Repräsentantenhaus ausgehen und im zuständigen Ausschuss und anschließend im Plenum mit absoluter Mehrheit beschlossen werden. Dann kommt der Fall in den Senat, wo eine Art Gerichtsverfahren stattfindet. Am Ende muss der Senat einer Amtsenthebung mit einer Zweidrittel-Mehrheit zustimmen. Im Jahr 1974 entging der damalige Präsident Richard Nixon dem Rauswurf wegen des Watergate-Skandals nur durch seinen vorzeitigen Rücktritt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.