Katar: Kalter Krieg am Golf

Qatar-Airlines muss nun über das Gebiet des Iran ausfliegen. Ein Überflug über die boykottierenden Nachbarländer ist vorerst nicht möglich.
Qatar-Airlines muss nun über das Gebiet des Iran ausfliegen. Ein Überflug über die boykottierenden Nachbarländer ist vorerst nicht möglich. (c) REUTERS
  • Drucken

Sechs arabische Staaten machen Front gegen das reiche Emirat Katar. Es geht um die angebliche Unterstützung Katars für militante Islamisten – und die Beziehungen zum Iran.

Kairo. In einer einzigartigen diplomatischen Strafaktion haben die vier wichtigsten Golfstaaten plus Ägypten am Montag ihre Beziehungen zu Katar gekappt und damit in den eigenen Reihen das tiefste Zerwürfnis seit Jahrzehnten ausgelöst. Saudiarabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jemen, Bahrain sowie Ägypten kündigten an, alle katarischen Diplomaten müssten innerhalb von 48 Stunden das Land verlassen. Obendrein wurden alle Flug-, Land- und Seeverbindungen zu der superreichen Halbinsel unterbrochen. Sämtliche Kataris müssen innerhalb der nächsten zwei Wochen aus Saudi-Arabien, den Emiraten und Bahrain ausreisen. Auch die international nicht anerkannte Regierung in Ost-Libyen, die unter dem Einfluss von Kairo steht, schloss sich diesem spektakulären Boykott an.

Zur Begründung hieß es in Riad und Abu Dhabi, Katar unterstütze militante Islamisten von al-Qaida und dem „Islamischen Staat“. Man müsse die eigene staatliche Sicherheit vor den „Gefahren des Terrorismus und Extremismus“ schützen. Die Führung in Doha wies die Anschuldigungen als „ungerechtfertigt“ und „aus der Luft gegriffen“ zurück – und warf den anderen Golfstaaten vor, sie wollten Katar unter ihre politische Vormundschaft stellen.

Katars Außenminister Mohammed Bin Abdulrahman Al-Thani sagte im Gespräch mit dem Sender Al-Jazeera, er könne sich die Eskalation nicht erklären. "Wir wissen nicht, ob echte Gründe hinter dieser Krise stecken oder versteckte Gründe, die wir nicht kennen", sagte er. Das Vorgehen der Nachbarn stelle die Zukunft des Golf-Kooperationsrates infrage.

Beziehungen zu Muslimbrüdern

Ein Dorn im Auge ist den sunnitischen Monarchen und Emiren vor allem Katars Unterstützung der Muslimbruderschaft sowie seine Beziehungen zum Erzfeind Iran, mit dem sich das Emirat sein wichtigstes Gasfeld teilt. Wenige Tage zuvor hatte der Chef einer saudischen Lobbyorganisation in Washington Katars Herrscher Tamim bin Hamad al-Thani per Twitter gedroht, ihm könne das gleiche Schicksal blühen wie Ägyptens Mohammed Mursi. Der Muslimbruder-Präsident war im Juli 2013 durch einen Militärputsch des heutigen Staatschefs Abdel Fatah al-Sisi gestürzt worden und sitzt seitdem in Haft.

Aus den Reihen des Golfkooperationsrates verweigerten sich jedoch Oman und Kuwait dem Kalten Krieg gegen Katar. Nach westlichen Erkenntnissen gehören nicht nur reiche Bürger und religiöse Stiftungen aus Katar, sondern auch aus Kuwait und Saudiarabien als Hauptsponsoren radikaler sunnitischer Gruppen in Nahost, unter anderem der „Al-Nusra-Front“ in Syrien.

Luftverkehr eingeschränkt

Praktisch sämtliche arabische Fluggesellschaften am Golf kündigten an, Doha von Dienstagfrüh an nicht mehr zu bedienen. Umgekehrt stellten Qatar Airways, die den Luftraum der anderen Golfnationen nicht mehr nutzen dürfen, alle Flüge in die Nachbarstaaten und nach Ägypten ein. Die Flugzeuge müssen nun nach dem Start über den iranischen Luftraum ausfliegen. Über seine Landgrenze zu Saudiarabien importiert die Halbinsel, die etwa halb so groß ist wie Niederösterreich, etwa 40 Prozent seiner Lebensmittel. Auch die Baustellen der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 dürften betroffen sein, sollte die Seeblockade länger anhalten. Zahlreiche Bürger in Doha eilten am Montag in die Supermärkte, um sich mit Lebensmitteln einzudecken.

Der außenpolitische Paukenschlag steht offenbar in direktem Zusammenhang mit dem Besuch von Donald Trump in Riad vor zwei Wochen, den die sunnitischen Potentaten offenbar als Blankovollmacht für zusätzliche Repression nach innen verstanden. Ägyptens Präsident al-Sisi setzte sofort danach ein umstrittenes NGO-Gesetz in Kraft.

Gleichzeitig ließ er zwei Dutzend Websites von regimekritischen Medienorganisationen sperren, darunter „Al Jazeera“. Bahrain verbot die wichtigste Oppositionspartei. Saudiarabien verurteilte einen weiteren Bürgerrechtler zu einer langen Haftstrafe.

Folge von Trump-Besuch?

Der US-Präsident hatte in seiner Rede vor 35 muslimischen Staatschefs den Iran als Hauptursache für die Instabilität in der Region angeprangert und für eine gemeinsame sunnitische Front gegen die Islamische Republik plädiert. US-Außenminister Rex Tillerson rief nun aber die Streithähne am Golf auf, ihre Differenzen durch Dialog beizulegen. Präsident Trump werde mit allen Beteiligten sprechen, um die Situation zu beruhigen, sagte auch eine Sprecherin des Weißen Hauses am Montag.

Die USA unterhalten in Katar den wichtigen Stützpunkt Al-Udeid mit 10.000 Soldaten, von dem aus alle Militäroperationen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afghanistan gesteuert werden.

Die USA und die von ihr geführte Koalition gegen die Extremisten-Miliz Islamischer Staat seien dankbar für das Engagement Katars für die regionale Sicherheit und die andauernde Unterstützung für die Truppenpräsenz der Anti-IS-Koalition, sagte ein Sprecher des US-Zentralkommandos am Montag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Donald Trump bei seinem Besuch in Saudi-Arabien
Home

Lösten "Fake News" Katar-Krise aus?

Die diplomatische Krise soll auf eine russische Hacker-Attacke zurückzuführen sein. "Alles basiert auf Fehlinformationen", sagt der Außenminister von Katar.
Die Skyline von Doha, Hauptstadt Katars. Die Halbinsel ist das reichste Land der Welt.
Analyse

Die Golfstaaten gehen aufs Ganze

Mit dem Boykott Katars riskieren Riad und Verbündete einen Bumerang-Effekt. Die Halbinsel ist das reichste Land der Welt – und sucht Alternativen.
US-Präsident will bei seinem Besuch in Riad Mitte Mai bei König Salman bin Abdulaziz al-Saud die Weichen für einen Katar-Bann gestellt haben.
Home

Trumps Zick-Zack-Kurs in der Katar-Krise

Zuerst heftete sich der US-Präsident den Katar-Bann per Twitter auf die eigenen Fahnen, danach bemühgte er sich per Telefonat mit dem saudiarabischen König um Einigung.
170605 ANKARA June 5 2017 German Foreign Minister Sigmar Gabriel speaks during a joint new
Außenpolitik

Katar-Krise: Deutscher Außenminister wirft Riad "Trumpisierung" vor

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat Saudi-Arabien eine "Trumpisierung" des Konflikts mit Katar vorgeworfen - kurz vor einem Treffen mit seinem saudischen Amtskollegen.
Österreich

Isolation von Katar treibt Ölpreis an

Das Land ist auch der größte LNG-Exporteur weltweit.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.