Irlands neuer ungewöhnlicher Premierminister

Leo Varadkar bei seiner Wahl zum Fine Gael-Chef Anfang Juni.
Leo Varadkar bei seiner Wahl zum Fine Gael-Chef Anfang Juni.REUTERS
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Nachfolger von Enda Kenny wird der ehemalige Sozialminister Leo Varadkar, 38-Jahre alt, halber Inder und schwul - keine Selbstverständlichkeit für das einst konservative Irland.

Irland hat einen neuen Taoiseach. Tih-schock spricht man das ungefähr aus -so wird auf der Insel der Regierungschef genannt. Am Mittwoch übernimmt Leo Varadkar das Amt vom zurückgetretenen Enda Kenny übernehmen. Für das katholisch-konservative Irland ist der neue Premierminister eher ungewöhnlich: erst 38 Jahre alt, schwul und Halbinder.

Der in Dublin geborene Sohn eines indischen Vaters und einer irischen Mutter entspricht dem neuen Politiker-Typus, er symbolisiert Umschwung, eine Abkehr vom Establishment - so wie es seine Kollegen Justin Trudeau in Kanada oder Emmanuel Macron in Frankreich vormachen. Der neue irische Premier - der jüngste in der irischen Geschichte - hat allerdings eine klassische Parteikarriere hinter sich. Seit zehn Jahren ist er im Parlament vertreten und bastelte fleißig an seinem Aufstieg. 2011 übernahm er das Verkehrsministerium, wechselte dann ins Gesundheits- und schließlich ins Sozialministerium und trug dort die Sparpolitik seines Chefs Enda Kenny mit. Die Konsequenz daraus waren eher schlechte Beliebtheitswerte in der Bevölkerung. Fine Gael wurde bei der jüngsten Wahl für den Sparkurs auch abgestraft.

Outing in TV-Interview

Dass Varadkar zum neuen Liebling der Iren wurde, geschah ausgerechnet durch die Kampagne für die rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften. Selbstbewusst und eher beiläufig outete sich Varadkar in einem TV-Interview. Es gelang ihm, seine Homosexualität ohne großes Aufsehen als selbstverständlich zu zeigen. Er will kein schwuler Premier sein, kein Vertreter einer Minderheit. In einem "Economist"-Interview sagte der Katholik, seine Homosexualität definiere ihn nicht. "Was die Leute interssiert, sind seine Ideen", schrieb etwa der "Economist". Noch bis 1993 waren im katholisch geprägten Irland homosexuelle Beziehungen strafbar.

Varadka (li.) mit seinem Partner Matthew Barrett beim WM-Qualifikationsmatch Irland gegen Österreich in Dublin.
Varadka (li.) mit seinem Partner Matthew Barrett beim WM-Qualifikationsmatch Irland gegen Österreich in Dublin.REUTERS

Varadkar sagte nach seiner Wahl an die Parteispitze Anfang Juni, die Verantwortung für das Land gehe nun "an eine neue Generation irischer Männer und Frauen über". Er sei "bereit für die Herausforderungen". Auch wenn der neue Premier einen neuen Politiker-Typus symbolisiert und auch eine neue Offenheit Irlands, so stammt er doch aus einer der großen Volksparteien des Landes, aus dem Establishment. "In diesem Land haben Vorurteile keinen Platz mehr", rief er bei seiner Wahl den Parteikollegen zu.

Schwere Aufgaben

Die politische Lage in Irland gilt als instabil: Kenny stand seit seiner Wiederwahl 2016 an der Spitze einer Minderheitsregierung. Er wurde von unabhängigen Abgeordneten unterstützt. Seine Partei Fine Gael schloss zudem ein Abkommen mit der größten Oppositionskraft Fianna Fail. Im Gegenzug setzte diese eine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben durch sowie eine Senkung der Wassergebühren.

Kenny hielt am Dienstag seine letzte Ansprache als Regierungschef vor dem Parlament in Dublin : "Es ging nie um mich, sondern immer um die Probleme und die Herausforderungen für die Menschen in unserem Land", sagte der bürgerliche Fine-Gael-Politiker. Er war sechs Jahre Lang Regierungschef Irlands.

Kenny schwer unter Druck

Kennys Rücktritt kam nicht überraschend, er hatte schon Mitte Mai seinen Rückzug aus der konservativen Partei angekündigt. Der 66-Jährige stand seit Monaten wegen seiner Rolle in einer Schmutzkampagne gegen einen Polizei-Whistleblower unter Druck, der Fehlverhalten von Kollegen angeprangert hatte und daraufhin gemobbt wurde.

Kenny behauptete im Parlament, erst spät von den Vorwürfen erfahren zu haben - und musste dies später richtigstellen. Er war seit 2002 Parteichef und seit 2011 Premier. Die fragile Minderheitsregierung von Fine Gael wird von der ebenfalls konservativen Partei Fianna Fail unterstützt.

(Red./Ag.)

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