Türkei: Anschlag auf Protestmarsch der Opposition verhindert?

Der große Protestmarsch von Ankara nach Istanbul
Der große Protestmarsch von Ankara nach IstanbulAPA/AFP/GURCAN OZTURK
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IS-Mitglieder hätten mit einem mit Fahnen der Regierungspartei AKP geschmückten Minibus in die Teilnehmer des Marsches von Ankara nach Istanbul fahren wollen. Sechs Verdächtige sind angeblich verhaftet worden.

Die türkische Polizei will Medienberichten zufolge einen Anschlag der Terrormiliz IS auf einen großen Protestmarsch der Opposition verhindert. Demnach habe man infolge eines Hinweises sechs Anhänger der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" festgenommen, bevor sie den Marsch mit einem Minibus angreifen konnten, sagte der Gouverneur der Provinz Kayseri, Süleyman Kamci, am Mittwoch laut der Zeitung "Hürriyet". Eine "große Provokation" sei verhindert worden.

Laut Hürriyet wurden zwei der Verdächtigen in Kocaeli gefasst, wo sich der Marsch derzeit befindet. Die anderen vier wurden demnach in der zentralanatolischen Provinz Kayseri festgenommen. Der Gouverneur sagte, die Verdächtigen hätten Fahnen der regierenden AKP am Minibus befestigen wollen, um den Angriff wie eine Tat der islamisch-konservativen Regierungspartei aussehen zu lassen. Eine Video, das die Polizeiaktion zeigen soll, zeigt schwer bewaffnete Polizisten, die einen schwarzen Minibus stürmen, der auf einer Hauptstraße oder Autobahn im Stau steckt, und danach mindestens einen Insassen wegführen.

Wie der Anschlag genau hätte durchgeführt werden sollen - also etwa mit Sprengstoff im Auto, mit Schusswaffen oder schlicht durch Überfahren von Menschen -, war vorerst nicht bekannt.

Mehr als 10.000 Menschen zu Fuß unterwegs

Laut Hürriyet verschärfte die Polizei die Sicherheitsmaßnahmen um den Marsch von Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu, der derzeit auf den letzten Etappen vor Istanbul ist. Der Vorsitzende der oppositionellen CHP hatte den Marsch am 15. Juni in Ankara gestartet und hat seitdem mehr als 300 Kilometer zurückgelegt. Mehr als 10.000 Menschen folgen ihm täglich auf dem Marsch.

Die Regierung hat den Marsch scharf kritisiert, ist bisher jedoch nicht eingeschritten. Kilicdaroglu warnte immer wieder vor "Provokationen". So könnte es einen Angriff von Ultranationalisten geben, um der Regierung einen Vorwand zu liefern, um den Marsch aus Sicherheitsgründen zu verbieten, warnte der CHP-Vorsitzende.

CHP-Sprecher Bülent Tezcan bezeichnete die Festnahmen der Verdächtigen aber als eine "Routineoperation" der Sicherheitskräfte. "Trotz aller versuchten Provokationen sind wir bemüht, den Marsch in einem sicheren Umfeld fortzuführen", sagte Tezcan. Er erwarte, dass der Marsch noch größer werde, sobald er Istanbul erreiche.

(dpa)

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