Justizreform in Polen: Auslieferung von Straftätern steht auf dem Spiel

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Segnet Präsident Duda das umstrittene Gesetz ab, ist die rechtliche Zusammenarbeit mit Polen in der EU in Gefahr. Erneut gingen am Sonntag Tausende auf die Straße.

Wegen der umstrittenen Justizreform drohen Polen folgenschwere Konsequenzen in der praktischen rechtlichen Zusammenarbeit mit den EU-Staaten. Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Montag berichtet, wären nach dem Umbau des Rechtssystems zukünftig kaum noch reguläre Auslieferungen und Amtshilfe bei Vollstreckungsmaßnahmen möglich.

Auf dem Spiel stehe die gesamte nachbarstaatliche Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung, nicht zuletzt auch die bisher nach EU-Recht praktizierte grenzüberschreitende Strafverfolgung und die Auslieferung von Straftätern.

Das System der Rechtshilfe erfolge im Vertrauen darauf, dass die beteiligten Länder Rechtsstaaten seien, sagte der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa. "Sobald Polen aber kein Rechtsstaat nach dem gemeinsamen Verständnis der EU mehr ist, dürften sich die anderen Mitgliedsstaaten sehr schwer tun, Polen etwa bei der Strafverfolgung vorbehaltlos zu unterstützen", sagte Gnisa. Sofern einem Beschuldigten in Polen "kein faires, sondern ein von der Regierung beeinflusstes politisches Verfahren droht, liefert die deutsche Justiz ihn im Zweifelsfall eher nicht aus".

Polen sei dabei, sich durch die Justizreform in der EU-Rechtsgemeinschaft zu isolieren. Insbesondere der europäische Haftbefehl erscheint nach Einschätzung der Fachleute zukünftig im Zusammenspiel mit Polen nicht mehr reibungslos praktikabel. Polen ist bei den europäischen Auslieferungsersuchen besonders rührig, Hauptadressat bei der Erfüllung eines europäischen Haftbefehls ist dabei die Bundesrepublik.

Demonstranten fordern Veto des Präsidenten

Die nationalkonservative Regierung verfolgt mit einer Reihe von Gesetzen das Ziel, ihren Einfluss auf die Justiz des Landes zu vergrößern. Unter- und Oberhaus hatten Ende der Woche einen Gesetzentwurf verabschiedet, mit dem der Oberste Gerichtshof des Landes unter Regierungskontrolle gestellt werden soll. Tausende Polen waren daher am Sonntagabend wie in den Tagen zuvor gegen den Justizumbau auf die Straße gegangen. In der Hauptstadt Warschau und hundert weiteren Städten zogen die Menschen mit Kerzen vor Gerichtsgebäude.

Die Demonstranten, die sich in Warschau vor dem Obersten Gerichtshof versammelten, skandierten unter anderem "Freie Gerichte" und "Freiheit, Gleichheit, Demokratie". Sie forderten den zum Regierungslager gerechneten Duda auf, sein Veto gegen das Gesetz einzulegen: Der umstrittene Entwurf muss nur noch von Präsident Andrzej Duda unterzeichnet werden.

Die EU-Kommission drohte Warschau mit Sanktionen, die bis zum Entzug von Stimmrechten auf europäischer Ebene führen könnten. Anfang 2016 hatte sie bereits ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleitet.

(APA/AFP)

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