Italien will eigene Schiffe vor die libysche Küste schicken

APA/AFP/ANDREAS SOLARO
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Rom will der libyschen Übergangsregierung um Premier Fayez al-Serraj sechs Schiffe zur Verstärkung von Libyens Küstenwache zur Verfügung stellen

Italien will die libysche Küste nun selbst überwachen: Die Regierung in Rom will der libyschen Übergangsregierung um Premier Fayez al-Serraj sechs Schiffe zur Verstärkung von Libyens Küstenwache zur Verfügung stellen. Die italienischen Schiffe sollen zwischen 50 und 200 Personen Besatzung an Bord haben. Noch vor Beginn der Sommerpause Anfang August soll dass Parlament in Rom der Entsendung der Schiffe nach Libyen zustimmen.

Die italienischen Schiffe sollen bei der Kontrolle der libyschen Küsten eingesetzt werden, wie die Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" am Donnerstag berichtete. Ziel sei es, die Flüchtlingsabfahrten von Libyen zu stoppen. Geplant sei auch die Einrichtung einer italienischen Taskforce, die mit den libyschen Behörden zusammen die Einsätze im Mittelmeer koordinieren soll. Zugleich sollen gemeinsame Initiativen zur Kontrolle der Grenzen in Libyen ergriffen werden.

Der italienische Ministerpräsident Paolo Gentiloni betrachtet Libyens Forderungen als "positiven Wendepunkt". Italien sei sehr bemüht, für die Stabilisierung Libyens zu arbeiten, sagte Gentiloni bei einer Pressekonferenz mit dem deutschen SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz am Donnerstag in Rom. Die italienische Regierung werde dem Parlament am kommenden Dienstag die Details zur Libyen-Mission vorstellen, erklärte Gentiloni.

Mehr Solidarität gefordert

Auch der deutsche SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz hat bei einem Besuch in Rom für mehr europäische Solidarität mit Italien und anderen EU-Ländern mit Außengrenzen in der Flüchtlingskrise geworben. Das kommende Budget der Europäischen Union müsse ein Solidarpakt sein, sagte Schulz nach einem Treffen mit Gentiloni. Wenn es um Mittel für die Landwirtschaft gehe, heiße es, "Ja, bitte." "Wenn es um die Verteilung von Flüchtlingen geht, heißt es, 'Nein Danke'", kritisierte Schulz: "Wir werden in der Europäischen Union die Solidarität wieder zu einem Grundprinzip machen müssen."

Die italienischen Schiffe werden sich demnach mit der libyschen Küstenwache an der Rettung von Migranten beteiligen. Gerettete Flüchtlinge sollen nach Libyen zurückgebracht werden. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass Menschenrechte garantiert würden, schreibt die Zeitung. Bei den Rettungsaktionen im Mittelmeer sollen auch Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen eingesetzt werden. Bis zu 1.000 Italiener sollen sich an der Mission beteiligen.

Verhaltenskodex für NGOs

Durch die Stärkung der libyschen Küstenwache will Italien auch die Präsenz von NGO-Schiffen vor der libyschen Küsten verringern. Hilfsorganisationen sind derzeit bei 40 Prozent der Rettungseinsätze beteiligt. Am Freitag findet ein neuerliches Treffen zwischen der italienischen Regierung und Vertretern der im Mittelmeer aktiven NGOs statt, um über einen geplanten Verhaltenskodex zu diskutieren.

"Der Verhaltenskodex ist eine fundamentale Angelegenheit für die Sicherheit des Landes", sagte Innenminister Marco Minniti am Mittwoch vor dem Senat in Rom. Bei einem Treffen am Mittwoch hatte es keine Einigung gegeben.

Mit dem Verhaltenskodex will die italienische Regierung klare Regeln für die Rettungsaktionen im Mittelmeer aufstellen und hat damit für Verunsicherung bei den Hilfsorganisationen gesorgt. Sie fühlen sich durch den Vorstoß der italienischen Regierung kriminalisiert, weil sie sich bei den Rettungseinsätzen nach eigenen Angaben bereits an Recht und Gesetz auf See halten.

Nur im äußersten Notfall sollen die Schiffe der Hilfsorganisationen in libysche Hoheitsgewässer eindringen, so schreibt es auch das Internationale Seerecht vor. Der sogenannte Code of Conduct in seiner jetzigen Form untersagt den Helfern ferner, Ortungsgeräte abzustellen und mit Lichtsignalen Schmuggler an der libyschen Küste zu ermuntern, Boote mit Migranten aufs Meer zu schicken. Außerdem sollen die NGOs den Behörden - auch der Kriminalpolizei - Zugang zum Schiff gewähren und ihre Finanzierung offenlegen.

(APA)

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