Aufruhr gegen das Regime im Iran

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Die Unruhen gegen die Führung haben sich von der Provinz nach Teheran ausgeweitet. Die Revolutionsgarden schlagen die Proteste brutal nieder. Mehr als ein Dutzend Menschen sterben.

Tunis/Teheran. Auslöser waren gestiegene Eierpreise. Seitdem eskaliert der Ärger über Irans Alltagsmisere immer mehr zum Grundsatzprotest gegen die Herrschaft der Mullahs, die Tyrannei der Islamischen Republik sowie die kostspieligen Interventionen in Syrien, Libanon, Gaza und Irak. „Überlasst Syrien sich selbst, denkt auch mal an uns“ und „Kein Gaza, kein Libanon – unser Leben ist für den Iran“, skandierten die Menschen in Teheran und zwei Dutzend anderen Städten, darunter auch Qom, dem Zentrum des religiösen Establishments. Demonstranten fordern bereits die Freilassung aller politischen Gefangenen und rufen „Tod dem Diktator“, eine direkte Anspielung auf den Obersten Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei.

In Teheran ging die Polizei in der Silvesternacht wieder mit Tränengas gegen die Menge vor und lieferte sich Straßenschlachten mit Steinewerfern. Hunderte wurden verhaftet. Bis Montag starben nach Angaben des Staatsfernsehens im Zentral-, West und Südwestiran mindestens zehn Demonstranten. Am Dienstag berichtete der staatliche Fernsehsender Isfahan von weiteren sechs toten Demonstranten. In der Region um Isfahan im Zentrum des Landes seien sechs Demonstranten, ein Mitglied der Revolutionsgarden, ein Passant sowie ein Polizist getötet worden. In mehreren Städten setzten Demonstranten zudem Polizeiwachen in Brand.

Die jetzt schon sechs Tage andauernden Unruhen sind die größten Massendemonstrationen seit der Grünen Bewegung im Jahr 2009. Damals gingen Abertausende Iraner über sechs Monate lang auf die Straße, um gegen die manipulierte Wiederwahl des damaligen Präsidenten, Mahmoud Ahmadinejad, zu protestieren.

Präsident Rohani zwischen den Fronten

Dessen Nachfolger, Hassan Rohani, verteidigte in einer TV-Botschaft das Recht des Volkes auf Kritik und Protest, ging gleichzeitig aber mit allen scharf ins Gericht, die öffentliche Gebäude wie Kommunalverwaltungen, Polizeistationen und Koranschulen angreifen oder Autos anzünden. Rohani, gegen den seit Monaten eine wüste Medienkampagne der Hardliner läuft, forderte zudem mehr Transparenz und Fairness in der Berichterstattung. „Unser Land steht vor schweren Herausforderungen wie Arbeitslosigkeit, Inflation, Korruption, Wassermangel, soziale Spaltung und eine ungerechte Verteilung des Staatshaushalts“, präzisierte Hesamoddin Ashena, einer der Berater des Präsidenten, und fügte hinzu, die Menschen hätten ein Recht darauf, dass ihre Stimme gehört werde.

Um das Ausmaß der Unruhen zu verschleiern und die Koordination der verschiedenen Landesteile zu behindern, sperrte das Regime am Wochenende die einzigen noch zugänglichen sozialen Plattformen Telegram und Instagram. Twitter und Facebook sind seit vielen Jahren blockiert, wie die Websites der meisten internationalen Medien.

Die Staatszeitungen überschlugen sich mit düsteren Verschwörungstheorien und machten amerikanische, britische und israelische Spione für die Unruhen verantwortlich. Örtlichen iranischen Journalisten wurde der Zugang zu Protestkundgebungen verwehrt. Die Revolutionären Garden drohten, man werde mit harten Schlägen antworten, wenn der Aufstand nicht aufhöre.

Die Mehrzahl der Demonstranten sind junge Männer zwischen 20 und 30, viele von ihnen frustriert und arbeitslos, die keine Zukunft für sich sehen. Mit zu der Empörung in der Bevölkerung trug aber auch Rohanis Entscheidung bei, seine Landsleute zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik über das Ausmaß der finanziellen Selbstbedienung seiner Hardliner-Kontrahenten aufzuklären und die Finanzen offenzulegen.

AUF EINEN BLICK

Iran. Bei Protesten im Iran sind am Sonntagabend mindestens zehn Menschen getötet worden. Damit starben seit dem Beginn der Proteste am Donnerstag insgesamt zwölf Menschen. Die Proteste richten sich gegen die Regierung sowie gegen Arbeitslosigkeit, Korruption und hohe Lebensmittelpreise.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2018)

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