Vietnam: Der lange Arm des Regimes in Hanoi

Auf der Anklagebank: Trinh Xuan Thanh (im weißen Blouson) ist in Hanoi in Ungnade gefallen.
Auf der Anklagebank: Trinh Xuan Thanh (im weißen Blouson) ist in Hanoi in Ungnade gefallen. (c) APA/AFP/Vietnam News Agency/VIET
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Im Sommer hatten ihn Agenten in Berlin entführt und eine schwere diplomatische Verstimmung ausgelöst. Nun verurteilte ein Gericht in Hanoi den Ex-KP-Kader Trinh Xuan Thanh zu lebenslanger Haft.

Berlin/Wien. Der Fall rund um den vietnamesischen Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh liest sich wie ein Politthriller aus den internationalen Bestsellerlisten. Doch die Geschichte des in Ungnade gefallenen Funktionärs der Kommunistischen Partei Vietnams ist so verworren wie real – und wirft seine Schatten von Hanoi bis Berlin, schwere diplomatische Verstimmung inklusive.

Am gestrigen Montag kam es zu einem vorläufig letzten Kapitel: Der 52-Jährige wurde in Hanoi nach einem zweiwöchigen Prozess der Misswirtschaft und Unterschlagung für schuldig befunden. Mit dem Urteil lebenslänglich kam er noch mit einem blauen Auge davon: Trinh Xuan Thanh hatte die Todesstrafe gedroht.

Der frühere Chef des Staatskonzerns PetroVietnam Construction (PVC) flüchtete nach einer kurzen, vielversprechenden Karriere innerhalb der KP im Jahr 2016 nach Berlin und suchte um Asyl an. Doch zur Anhörung seines Asylantrags Mitte Juli in Berlin erschien der sonst so pünktliche Trinh Xuan Thanh nicht bei der Behörde. Das sei äußerst untypisch für den sonst so gut organisierten Geschäftsmann gewesen, sagte sein deutscher Anwalt später.

Doch vermutlich war der frühere Führungskader der Kommunistischen Partei zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr in Deutschland – er befand sich bereits auf dem Rückweg nach Vietnam. Entführt vom vietnamesischen Geheimdienst am helllichten Tag in Berlin-Tiergarten.

In einen Wagen gezerrt

Augenzeugen berichteten, dass der Vietnamese gemeinsam mit einer Frau in einen Wagen mit tschechischem Kennzeichen gezerrt worden war. Trinh Xuan Thanh soll dann in einem Krankenwagen in die Tschechische Republik und per vietnamesischen Flugzeug zurück in seine Heimat gebracht worden sein. Es gebe ausreichend Hinweise dafür, so die Anwälte des Mannes.

Wenig später gab das Auswärtige Amt bekannt, dass es keine Zweifel mehr gebe, dass der vietnamesische Geheimdienst den Asylbewerber entführt habe. Das Auswärtige Amt reagierte so ungewohnt harsch, schrieb damals die Süddeutsche Zeitung, dass die Erkenntnisse darüber sehr eindeutig gewesen sein dürften. Eine schwere diplomatische Krise zwischen den beiden Ländern war die Folge: Der offizielle Vertreter des vietnamesischen Nachrichtendienstes wurde aus dem Land geworfen und der Botschafter der Volksrepublik Vietnam ins Auswärtige Amt zitiert.

Bruch des Völkerrechts

Von Trinh hört man erst eine Woche später wieder: Im vietnamesischen Staatsfernsehen erklärte der schmächtige Mann, dass er freiwillig nach Vietnam zurückgekehrt sei, um sich den Behörden zu stellen. Das Berliner Außenamt sprach abermals von einem „völlig inakzeptablen Bruch des Völkerrechts“ und als „Vertrauensbruch“.

Wie hat Trinh Xuan Thanh die Führung der vietnamesischen KP so verärgert, dass Hanoi ihn aus Deutschland entführen ließ, eine massive Verstimmung mit Berlin in Kauf nahm, nur um ihm den Prozess in Hanoi zu machen? Offiziell ließ Hanoi verlauten, Trinh sei für Konzernverluste in Höhe von 125 Millionen Euro verantwortlich und habe in die eigene Tasche gewirtschaftet. Ihm wird auch vorgeworfen mit seinem teuren Wagen Luxus zur Schau gestellt zu haben.

Doch in Wahrheit geht es um einen Machtkampf innerhalb der Partei, bei dem Trinh der Fraktion der Verlierer angehörte: Beim Parteitag im Jahr 2016 brach ein bis dahin schwelender Konflikt offen aus. Es kam zu einem Richtungsstreit über die weitere Öffnung des Landes. Die konservativen Kräfte siegten – und Trinh Xuan Thanh, der auf die Modernisierer gesetzt hatte, landete auf der Abschussliste.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2018)

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