"Wenn sie ihre Fahne aufhängen, werden sie daneben hängen"

Die Szekler Flagge ist für den rumänischen Ex-Premier Tudose ein rotes Tuch.
Die Szekler Flagge ist für den rumänischen Ex-Premier Tudose ein rotes Tuch.(c) REUTERS (Radu Sigheti)
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Der Kampf einer ungarischen Minderheit in Rumänien sorgt für Konfliktpotenzial. Eine Wortmeldung des rumänischen Ex-Premiers Tudose sorgt für Aufregung.

Es ist die Aussage des mittlerweile aus anderen Gründen entmachteten rumänischen Premierministers Mihai Tudos, die in Ungarn und Rumänien die Wogen hochgehen ließ. Tudose drohte am 12. Jänner im Privatsender "Realitatea TV" den ungarischen Rumänen: "Wenn sie irgendwo ihre Fahne aufhängen, werden sie daneben hängen. Autonomie für Szekler steht nicht zur Diskussion". Die Gruppe der Szekler bildet Südosten Siebenbürgens mit 80 Prozent die große Mehrheit.

Die Stimmung zwischen Rumänien und Ungarn war schon einmal besser. Um den Status der ungarischen Minderheit in Rumänien wurde schon viel gestritten. Es gibt auch weitreichende Zugeständnisse an ethnische Minderheiten im Land. Doch zuletzt forderten die Szekler mehr Autonomie - nach Südtiroler Vorbild.

Als erste Reaktion auf Tudoses Aussage bestellte Ungarn den rumänischen Botschafter ein, um offiziell Beschwerde einzureichen. Doch Tudose machte auf Facebook klar: "Als Rumäne und Premierminister, verweigere ich jeglichen Dialog, der die Autonomie von Teilen Rumäniens betrifft. Es wäre gegen die Verfassung dieses Landes, die in erster Linie die Einheit des Landes und die Unteilbarkeit des rumänischen Staates garantiert".

Tage später meinte Tudose, er habe sich bei seiner Aussage nicht auf Ungarn bezogen, die neben ihrer Flagge hängen sollten. Er habe sich auf die Rücktrittserklärungen jener rumänischen Behördenmitarbeiter bezogen, die dann "hängen" würden, sollten sie der ungarischen Minderheit mehr Autonomie zugestehen.

Auch Rumänien bestellte den ungarischen Botschafter am 15. Jänner ein, um gegen eine Aktion vor der rumänischen Botschaft Budapest zu protestierten, bei der die Szekler-Flagge so drapiert wurde, um das rumänische Staatswappen zu verdecken.

Gedenkjahr und Wahlen

Dass der Konflikt derzeit so prominent ausgetragen wird, hat zwei Gründe. Erstens ist das Jahr 2018 von Rumänien zum "Jahrhundertgedenkjahr" erklärt worden, das an die Wiedervereinigung des rumänischen Königreichs mit Siebenbürgen, der Bukowina und Bessarabien im Jahr 2018 erinnern soll. Der zweite Grund: In Budapest wird in diesem Jahr ein neues Parlament gewählt.

Budapest sieht sich als Schutzmacht der Ungarn in Rumänien. Premierminister Viktor Orbán kämpft am 8. April um eine dritte Amtszeit und gewährte ethnischen Ungarn in Nachbarländern die Staatsbürgerschaft, kurz nachdem er 2010 sein Amt angetreten war. Sie dürfen also auch wählen. Dementsprechend laut ist die Kritik von Orbáns Regierungspartei an Rumänien. Außenminister Peter Szijjarto zeigte sich in der Nachrichtenagentur MTI entsetzt über Tudoses Aussagen. "Aussagen, in denen er praktisch Angehörigen einer ganzen nationalen Gemeinschaft mit Exekution gedroht hat, sind vollkommen inakzeptabel".

Vertrag von Trianon

Viele Ungarn sehen den Vertrag von Trianon aus dem Jahr 1920 als eine nationale Tragödie an, weil dadurch zwei Drittel des ungarischen Territoriums an Rumänien, die Slowakei, die Ukraine und Serbien abgetreten werden musste. Der Vertrag besiegelte die Sezession, die Ende des Ersten Weltkriegs erfolgte. Durch seine Unterstützung für Auslands-Ungarn hat sich Orbán viel Sympathie im Land erarbeitet - und viele zusätzliche Stimmen.

Ungarn stritt im letzten Jahr auch mit der Ukraine über den Status der ungarischen Minderheit im Land. Dort sollte ein neues Gesetz es verbieten, dass in Minderheitensprachen Schulunterricht gegeben wird. Ungarn drohte damals mit einer Blockade der ukrainischen EU-Annäherungsversuche.

Tudose ist mittlerweile nicht mehr rumänischer Premierminister. Er stolperte über innerparteiliche Uneinigkeit. Staatspräsident Klaus Johannis hat am 17. Jänner nach Beratungen mit den Fraktionen dem Vorschlag der sozialliberalen Parlamentsmehrheit Folge geleistet und die Europaabgeordnete Vasilica Viorica Dancila (S&D) mit der Regierungsbildung beauftragt. Die 54-jährige Sozialdemokratin gilt als langjährige Vertraute ihres wegen Wahlmanipulationen vorbestraften Parteichefs Liviu Dragnea, dem sie ihre politische Karriere verdankt. Dragnea, der wegen Korruptionsvorwürfen selbst nicht Regierungschef sein darf, hatte sich mit Tudose zuvor überworfen.

(Reuters/Red.)

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