Haft statt Präsident? Brasilien vor Lula-Urteil gespalten

Lula und Rouseff. Nach Rouseffs Entmachtung wollte Lula wieder an die Macht.
Lula und Rouseff. Nach Rouseffs Entmachtung wollte Lula wieder an die Macht.APA/AFP/JEFFERSON BERNARDES
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Das Berufungsgericht entscheidet über die Zukunft des Ex-Präsidenten von Brasilien, der ein Comeback anstrebt. Seine Anhänger drohen mit massiven Protesten.

Die Anhänger von Brasiliens Ex-Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva drohen mit massiven Protesten, Porto Alegre ist im Ausnahmezustand: Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen wird am Mittwoch von einem Berufungsgericht in der südbrasilianischen Stadt über eine Gefängnisstrafe für Lula wegen Korruption entschieden.

Im vergangenen Juli war der 72-Jährige zu neuneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden, blieb aber auf freiem Fuß. Nun steht das Berufungsurteil an.

Zehntausende Anhänger versammelten sich in Porto Alegre. Lula wird in erster Linie vorgeworfen, dass ein Baukonzern ein Appartement am Atlantik für ihn aufwendig modernisiert haben soll - im Gegenzug für Unterstützung bei Auftragsvergaben des Ölkonzerns Petrobras. Der Fall ist hochbrisant, da Lula in allen Umfragen vor der Präsidentenwahl im Oktober führt. Der frühere Schuhputzer, der das Land bereits von 2003 bis 2010 regierte, könnte statt eines Comebacks im Gefängnis landen.

Gespaltenes Brasilien

"Eine Wahl ohne Lula ist ein Betrug", skandierten die nach Porto Alegre gereisten Anhänger. Die Chefin der linken Arbeiterpartei (PT), Gleisi Hoffmann, hatte sogar mit Toten gedroht, wenn die Handschellen klicken sollten. "Wenn sie Lula festnehmen wollen (...), werden sie Leute töten müssen." In Rio de Janeiro demonstrierten dagegen hunderte Gegner vor dem Urteil. An der Copacabana wurden Brasilien-Fahnen geschwenkt und skandiert: "Lula ins Gefängnis".

Lula bestreit die Vorwürfe, er sei gar nicht Eigentümer der Immobilie. Es ist der vorläufige Höhepunkt in dem das Land seit fast vier Jahren erschütternden "Lava-Jato"-Korruptionsskandal um jahrelange Schmiergelder bei öffentlichen Auftragsvergaben. Dutzende Manager und Politiker sitzen bereits hinter Gittern.

Die PT-Anhänger werfen dem federführenden Richter Sergio Moro, der Lula in erster Instanz zu den 9,5 Jahren Gefängnis verurteilte vor, einen politischen Prozess zu führen. Selbst wenn Lulas Urteil in Porto Alegre bestätigt werden sollte, könnte er aber nach Einschätzung von Experten auf freiem Fuß bleiben dürfen - denn da hätte wohl das Oberste Gericht das letzte Wort. Aber Lula könnte unmittelbar von einer Kandidatur für die Präsidentschaftswahl ausgeschlossen werden.

Politcomeback, um Rousseff zu rächen

Während seiner Zeit als Präsident des fünftgrößten Landes der Welt wuchs die Wirtschaft zeitweise kräftig - auch dank sprudelnder Öleinnahmen. Über 30 Millionen Menschen seien zudem aus der Armut geholt worden, betonte Lula. Seine linke Nachfolgerin Dilma Rousseff war 2016 des Amtes enthoben worden; der konservative Michel Temer übernahm. Er steht auch unter Korruptionsverdacht und darf wegen Verstößen bei der Finanzierung früherer Kampagnen bei der Wahl nicht antreten - Lula kandidiert auch, um Rousseffs Sturz zu rächen.

Der fast alle Partien erfassende Korruptionsskandal hat das Vertrauen in die politische Elite dramatisch sinken lassen, auch Lula ist längst keine Lichtgestalt mehr. Daher könnte am Ende ein Außenseiter Präsident werden: Der rechtskonservative Jair Bolsonaro liegt in Umfragen auf Platz zwei. Er verherrlicht die Militärdiktatur und inszeniert sich als Donald Trump Brasiliens, der den Korruptionssumpf austrocknen will. "Ich bin eine Person, die komplett außerhalb des Establishments steht", betont Bolsonaro ähnlich wie Trump in den USA.

Trotz der politischen Krise gewinnen Investoren gerade wieder Vertrauen, die Arbeitslosenzahl sank zuletzt auf 12,6 Millionen und der Internationale Währungsfonds hat soeben seine Wachstumsprognose für das Bruttoinlandsprodukt in Brasilien für 2018 auf 1,9 Prozent und für 2019 auf 2,1 Prozent hochgesetzt. Doch der Fall Lula hat das Zeug zu einer weiteren Verschärfung der Polarisierung im Land.

(APA/dpa)

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