Notstand im Paradies: Machtkampf auf Malediven

Das politische Geschehen spielt sich in der Hauptstadt Malé ab.
Das politische Geschehen spielt sich in der Hauptstadt Malé ab.(c) APA/AFP/ROBERTO SCHMIDT
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Präsident Yameen proklamierte zweiwöchigen Ausnahmezustand. Er ließ Halbbruder und Höchstrichter inhaftieren. Oppositionsführer Nasheed fordert internationale Intervention. Außenamt in Wien mahnt zur Vorsicht.

Wien/Malé. Türkisblaues Meer und Palmenstrände: Auf den Malediven urlauben Touristen in einer Parallelwelt, just zur Hochsaison im Februar. Wahlkämpfe, Unruhen, Putschversuche und aktuell ein zweiwöchiger Ausnahmezustand ereignen sich im vermeintlichen Inselparadies im Indischen Ozean zumeist außerhalb ihres Wahrnehmungsfelds in den Luxusresorts.

Das politische Geschehen spielt sich in der Hauptstadt Malé ab, wo ein Drittel der rund 400.000 Einwohner lebt. Anders als China, Indien, die USA oder Großbritannien sahen darum auch Österreich und Deutschland vorläufig von generellen Reisewarnungen ab, sondern rieten lediglich von Reisen nach Malé ab – was die Urlauber ohnehin selten zu sehen bekommen. Die Malediven bangen dennoch um ihre Einkünfte aus dem Tourismus, ihrem wesentlichsten Wirtschaftsfaktor, der im Jahr 2016 2,7 Milliarden Dollar einbrachte.

Dienstagfrüh ist der jahrelang schwelende Machtkampf auf den Malediven neuerlich eskaliert. Präsident Abdulla Yameen proklamierte einen zweiwöchigen Notstand auf dem Archipel. „Dies ist kein Kriegszustand, keine Epidemie, keine Naturkatastrophe“, erklärte er in einer TV-Ansprache. „Das ist eine Obstruktion des Staats.“

Yameen bezog sich auf ein Urteil des Obersten Gerichts aus der Vorwoche. Es hatte eine Freilassung der wichtigsten Oppositionellen, eine Wiedereinsetzung von zwölf Abgeordneten – was der Opposition die Parlamentsmehrheit sichern würde – die Rehabilitierung des Ex-Präsidenten Mohamed Nasheed und eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen ihn angeordnet. Yameen verfügte mit Verzögerung von vier Tagen die Inhaftierung zweier Höchstrichter und seines Halbbruders Abdul Gayoom, der die Malediven bis 2008 30 Jahre als Diktator regiert hatte. In der Inselwelt von 1196 Eilanden und Atollen ließ er den 80-Jährigen auf eine Gefängnisinsel transferieren.

Am Dienstag machte der Oberste Gerichtshof dann einen Rückzieher und wiederrief die Anordnung zur Freilassung politischer Gefangener. Die verbliebenen drei Richter erklärten Malé, sie würden die Anordnung "im Licht der Bedenken des Präsidenten" aufheben.

Zerwürfnis der Halbbrüder

Im Vorjahr war es zum Zerwürfnis der Halbbrüder gekommen. Gayoom hatte sich auf die Seite der Opposition und Nasheeds geschlagen. Nasheed, zu einer 13-jährigen Haftstrafe verurteilt, lebt seit 2016 im Exil in London. Von Colombo aus, der Hauptstadt Sri Lankas, rief der 50-Jährige gestern Indien und die USA zur Intervention auf. Er forderte Yameens Entmachtung.

Jenseits des Urlaubsidylls vollzieht sich ein zäher Machtkampf, in dessen Schatten der Einfluss der Islamisten wächst, die gegen westliche Auswüchse wettern. Seit einem kalten Staatsstreich 2012 gegen Nasheed, den 2008 erstmals demokratisch gewählten Präsidenten, kommt die Inselgruppe nicht zur Ruhe. Nach annullierten Wahlen, aus denen Nasheed erneut als Sieger hervorgegangen war, übernahm im November 2013 Yameen die Macht. Nach und nach schaltete er die Opposition aus und setzte seinen Vizepräsidenten wegen angeblicher Putschgefahr ab, nachdem ein Anschlag auf Yameens Schnellboot 2015 fehlgeschlagen war.

Geehrt von der UNO, hofiert von Al Gore und Amal Clooney, war Nasheed, der öffentlichkeitsbewusste Ozeanograf und Journalist, im Westen als Mahner gegen den Klimawandel und den drohenden Untergang des Inselparadieses zu Ruhm gekommen. Die Doku „The Island President“ brachte „Anni“, so sein Spitzname, internationales Renommee ein. Aufsehen erregte er auch, als er eine Kabinettssitzung im Tauchanzug abhielt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2018)

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